Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Gerichtsorganisation in Österreich

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gerichtsbarkeit in Österreich

Die Gerichtsorganisation in Österreich ist durch eine Zweiteilung in die ordentliche Gerichtsbarkeit (für Straf- und Zivilrecht) und die Gerichte des öffentlichen Rechts (für Verfassungs- und Verwaltungsrecht) gekennzeichnet. Im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten war Gerichtsträger aller Gerichte der Republik Österreich der Bund. Dies änderte sich im Zuge der Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012. Durch die Errichtung von Landesverwaltungsgerichten sind seit 1. Jänner 2014 die Länder erstmals auch an der Gerichtsbarkeit beteiligt.

Zu Namen und Sitz der einzelnen Gerichte siehe Liste österreichischer Gerichte.

Ordentliche Gerichtsbarkeit

In Österreich sind die ordentlichen Gerichte in vier Stufen organisiert, es besteht aber ein grundsätzlich zwei-, in besonderen Fällen (Zulassung der [außer-]ordentlichen Revision oder des Revisionsrekurses) dreistufiger, Instanzenzug.

Bezirksgerichte

Seit Juli 2014 gibt es in Österreich 116 Bezirksgerichte (Abkürzung BG).[1] Sie sind zuständig:

  • in Zivilrechtssachen für streitige Zivilprozesse generell mit einem Streitwert von nicht mehr als 15.000 Euro; für bestimmte Sachen aber unabhängig von der Höhe des Streitwertes (z. B. Ehe- und Familiensachen, Miet- und Pachtsachen, Grenz- und Dienstbarkeitssachen, Besitzstörungssachen).
  • für die meisten Angelegenheiten, die im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind, wie etwa familienrechtliche Angelegenheiten (Obsorge über Kinder, Unterhalt für Kinder, Regelung des Besuchsrechtes, Adoptionen, Bestellung von Sachwaltern, Verlassenschaftsabhandlungen u. dgl.), Todeserklärung verschollener Personen, Kraftloserklärung (Ungültigerklärung) verlorener Wertpapiere, Streitigkeiten zwischen Miteigentümern von Liegenschaften, bestimmte Angelegenheiten des Wohnungseigentums- und Mietrechtes und Verfahren über Enteignungsentschädigungen;
  • für sämtliche Exekutionen (Zwangsvollstreckungen) sowie für Insolvenzsachen von Personen, die kein Unternehmen betreiben (Privatkonkurs, sog. Schuldenregulierungsverfahren);
  • in Strafsachen für Vergehen, für die nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, hier kann der Staatsanwalt durch einen Bezirksanwalt vertreten werden;
  • zur Führung des Grundbuchs.

Am Bezirksgericht entscheiden immer Einzelrichter, in Verfahren außer Streitsachen, über die Erlassung von bedingten Zahlungsbefehlen, in Exekutions- und Insolvenzverfahren und in Grundbuchssachen auch Rechtspfleger. Die Leitung obliegt dem Vorsteher des Bezirksgerichts.

In Wien gibt es zwölf allgemeine Bezirksgerichte, die jeweils für einen oder mehrere Gemeindebezirke zuständig sind, sowie ein eigenes Bezirksgericht für Handelssachen. In Graz bestanden eigene Bezirksgerichte für Zivilrechtssachen, für Strafsachen sowie ein Jugendgericht, die mit 1. Jänner 2005 zum Bezirksgericht Graz zusammengelegt wurden. Seit 1. Jänner 2007 gibt es neben diesem, das in Bezirksgericht Graz Ost umbenannt wurde, wegen der angewachsenen Wohnbevölkerung zusätzlich das Bezirksgericht Graz West.

Landesgerichte

Landesgericht für Strafsachen Graz (2008)

Die 18 Landesgerichte (Abkürzung LG; auch Gerichtshöfe erster Instanz genannt, Abkürzung GH I) sind in 16 Orten von überregionaler Bedeutung eingerichtet, und zwar in Eisenstadt, Feldkirch, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Korneuburg, Krems an der Donau, Leoben, Linz, Ried im Innkreis, Salzburg, St. Pölten, Steyr, Wels, Wien und Wiener Neustadt. In Graz und Wien gibt es jeweils zwei Gerichte, eines für Zivilrechtssachen und eines für Strafsachen. In Wien bestehen zudem auch ein eigenes Handelsgericht Wien und das Arbeits- und Sozialgericht Wien.[2]

Ihre Zuständigkeit umfasst sowohl Aufgaben der ersten als auch der zweiten Instanz.

  • In Zivilrechtssachen sind die Landesgerichte in erster Instanz für alle Zivilprozesse zuständig, die nicht vor die Bezirksgerichte gehören. Dazu gehören auch alle Arbeits- und Sozialrechtssachen und Amtshaftungssachen sowie eine Reihe von Spezialmaterien. In der Regel entscheidet ein Einzelrichter. Bei einem Streitwert von mehr als 100.000 Euro können jedoch die Parteien zu Beginn des Verfahrens beantragen, dass die Sache vor einem Senat aus drei Berufsrichtern (in Handelssachen: zwei Berufsrichter und ein fachmännischer Laienrichter) verhandelt wird. In Arbeits- und Sozialrechtssachen entscheidet ein Senat, der aus einem Berufsrichter und zwei fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Dienstgeber und der Dienstnehmer gebildet wird.
  • In Strafsachen ist das Landesgericht in erster Instanz für alle Verbrechen und Vergehen zuständig, die nicht vor das Bezirksgericht gehören. Je nach Delikt entscheidet entweder
    • ein Einzelrichter,
    • ein Schöffensenat, bestehend aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen bzw. zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen, oder
    • das Geschworenengericht, das aus drei Berufsrichtern und acht Geschworenen gebildet wird.
      Diese Formen sind streng genommen keine Organisationsform des Landesgerichtes, sondern werd dort nur gebildet: Sie sind eine Verfahrensform.
  • Weiters hat das Landesgericht umfassende Kompetenzen im Ermittlungsverfahren - auch hinsichtlich jener Straftaten, für die in der Hauptverhandlung das Bezirksgericht zuständig ist.
  • Bei den Landesgerichten (in Wien beim Handelsgericht) wird das Firmenbuch (früher Handelsregister) geführt. Hier entscheidet ein Einzelrichter oder ein Rechtspfleger.
  • Außerdem ist das Landesgericht für Insolvenzverfahren (Konkurse, Sanierungsverfahren) zuständig, soweit diese nicht zum Bezirksgericht gehören.
  • In zweiter Instanz entscheiden die Landesgerichte durch Senate, die aus drei Berufsrichtern (in Handelssachen: zwei Berufs- und einem fachmännischen Laienrichter) gebildet werden, als Rechtsmittelgericht über Rechtsmittel gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte.

An jedem für Strafsachen zuständigen Landesgericht ist eine Staatsanwaltschaft eingerichtet. Außerdem befindet sich am Sitz jedes für Strafsachen zuständigen Landesgerichts ein gerichtliches Gefangenenhaus (Justizanstalt).

Bis 1993 wurden die nicht in einer Landeshauptstadt ansässigen Landesgerichte Kreisgerichte genannt (Ausnahme: Landesgericht Feldkirch).[3]

Oberlandesgerichte

Die 4 Oberlandesgerichte (Abkürzung OLG; auch Gerichtshöfe zweiter Instanz genannt, Abkürzung GH II) bestehen in

Als Rechtsmittelgerichte sind sie zuständig

  • in Zivilrechtssachen für Berufungen und Rekurse gegen die in erster Instanz ergangenen Urteile und Beschlüsse der Landesgerichte,
  • in Strafsachen für (volle) Berufungen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse, die das Landesgericht durch den Einzelrichter erlassen hat, und für Berufungen gegen die Höhe der in Urteilen des Landesgerichtes als Schöffen- oder Geschworenengericht verhängten Strafen.

Die Oberlandesgerichte entscheiden in Senaten aus drei Richtern (in Handelssachen: zwei Berufs- und einem fachmännischen Laienrichter), in Arbeits- und Sozialrechtssachen hingegen aus Senaten, die aus drei Berufs- und zwei fachkundigen Laienrichtern gebildet werden.

Das Oberlandesgericht Wien ist als Kartellgericht in erster Instanz für das ganze Bundesgebiet in Kartellrechtssachen zuständig.

Den Präsidenten der Oberlandesgerichte obliegen wichtige Agenden der Justizverwaltung.

An jedem Oberlandesgericht ist auch eine Oberstaatsanwaltschaft eingerichtet.

Oberster Gerichtshof

Sitz des Obersten Gerichtshofs im Justizpalast

Der Oberste Gerichtshof in Wien (Abkürzung OGH) ist die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Er entscheidet in Zivilrechtssachen in dritter Instanz über Revisionen gegen Urteile sowie Revisionsrekurse gegen Beschlüsse, welche die Landesgerichte und Oberlandesgerichte als zweite Instanz gefällt haben. In Strafsachen erkennt er über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile der Landesgerichte als Schöffen- und Geschworenengerichte.

Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel in Senaten von fünf Richtern (Hofräten), in bestimmten Einzelfällen von drei Richtern. Derzeit bestehen zehn zivilrechtliche und fünf strafrechtliche Senate. Daneben sind noch ein Senat zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Kartellgerichtes sowie ein Fachsenat für Patent-, Marken- und Musterschutzsachen eingerichtet.

Über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erkennt ein verstärkter Senat aus insgesamt elf Richtern. In Arbeits- und Sozialrechtssachen werden auch beim OGH zwei (Fünf-Richtersenate) bzw. vier (verstärkte Senate) fachkundige Laienrichter beigezogen.

Am Obersten Gerichtshof wirkt die Generalprokuratur an allen Strafverfahren mit. Dabei schreitet sie nicht als Anklagebehörde ein, sondern vertritt die Interessen des Staates in der Rechtspflege.

Sonderfälle Militärgerichtsbarkeit und Vollzug

Laut Art. 84 Bundes-Verfassungsgesetz darf es in Österreich nur im Kriegsfall durch ein eigenes Gesetz eine Militärgerichtsbarkeit geben. Für Strafsachen von Militärangehörigen, auch nach dem Militärstrafgesetz (MilStG), sind die ordentlichen Zivilgerichte zuständig, nur die Disziplinarstrafen laut Heeresdisziplinargesetz (HDG) werden innerhalb der Ranghierarchie bestimmt, mit dem Verteidigungsministerium als oberste Instanz.

Im Strafvollzug ist der Anstaltsleiter für Ordnungswidrigkeiten die erste Instanz, in Ausnahmefällen das Bundesministerium für Justiz (geregelt im Strafvollzugsgesetz, StVG),[4] sonst die normale ordentliche Gerichtsbarkeit.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in Österreich

ausgeübt. Im verwaltungsbehörlichen Finanzstrafverfahren ist das Finanzamt die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sowie für Zollvergehen die Zollämter (beides § 58 FinStrG), zweite Instanz dann das Bundesfinanzgericht (Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen). Im Asylrecht entscheidet das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in erster Instanz, Berufungen gehen an das Bundesverwaltungsgericht. Eine weitere Ausnahme bilden die Gemeinden: hier können die Länder einen Rechtsmittelzug innerhalb der Gemeinde vorsehen. Eine Beschwerde an die Verwaltungsgerichte ist nur gegen die Entscheidung der in zweiter Instanz zuständigen Gemeindebehörde zulässig.

Gemäß Art. 144Vorlage:Art./Wartung/RIS-Suche B-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Entscheidungen (Erkenntnisse und Beschlüsse) der Verwaltungsgerichte erster Instanz (Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit). Diese Besonderheit ist darin begründet, dass in Österreich die Höchstgerichte (Oberster Gerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof) gleichranging sind und daher Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr vom Verfassungsgerichtshof nachgeprüft werden können. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es keine Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde.

Aufgrund der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichtsbarkeit erstmals in der österreichischen Rechtsgeschichte zweistufig organisiert. Zuvor war die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur einstufig organisiert: hier konnten letztinstanzliche Bescheide vor dem Verfassungsgerichtshof (wegen Verfassungswidrigkeit) und vor dem Verwaltungsgerichtshof (wegen sonstiger Rechtswidrigkeit) durch Beschwerde angefochten werden. Da dieses Rechtsschutzsystem mit der Zeit als mangelhaft angesehen wurde, wurde eine große Zahl von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag errichtet, so der Unabhängige Verwaltungssenate (UVS) als gerichtsähnliche Instanz (B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685/1988), der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS; 2008 Asylgerichtshof AsylGH), der Unabhängige Finanzsenat (UFS).

Verfassungsgerichtsbarkeit

Die Verfassungsgerichtsbarkeit in Österreich wird vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) ausgeübt.

Er ist insbesondere zuständig für:

Eine Besonderheit des österreichischen Rechtssystems ist, dass der Verfassungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof laut Verfassung auf gleicher Stufe stehen (Höchstgerichte). Wegen dieser formellen Gleichstellung ist gegen Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, anders als in Deutschland, auch keine Verfassungsbeschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts zulässig. Die ordentlichen Gerichte, der Verwaltungsgerichtshof und die Verwaltungsgerichte können aber bei Bedenken gegen Gesetze oder Verordnungen eine Normprüfung beim Verfassungsgerichtshof beantragen.

Stellt ein ordentliches Gericht keinen Antrag auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof, so kann seit 1. Jänner 2015 auch eine Person, die als Partei einer von einem solchen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels ein Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Person ein Gesetz auch direkt beim Verfassungsgerichtshof anfechten, nämlich dann, wenn sie unmittelbar durch dessen Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet und das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides für sie wirksam geworden ist.[5]

Siehe auch

Weblinks

link=http://de.wikipedia.org/Wikipedia:Hinweis Rechtsthemen Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Einzelnachweise

  1. Justizbehörden. Abgerufen am 1. Juni 2015.
  2. Außerdem bestand in Wien ein eigener Jugendgerichtshof, der für Strafsachen Jugendlicher und junger Erwachsener sowohl auf Ebene des Bezirksgerichtes als auch des Gerichtshofs erster Instanz zuständig war. Dieser Gerichtshof wurde jedoch mit 30. Juni 2003 aufgelöst und seine Aufgaben wurden je nach Strafdrohung dem Landesgericht für Strafsachen Wien oder den Wiener Bezirksgerichten übertragen.
  3. Allerhöchste Bestimmungen über Einrichtung der Gerichtsbehörden, Verordnung vom 19. Jänner 1853 (RGBl. Nr. 10/1853, Beilage D, § 5); geändert durch BGBl. Nr. 91/1993
  4. Zehnter Unterabschnitt §§ 107–118.
  5. Broschüre des Verfassungsgerichtshofes.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gerichtsorganisation in Österreich aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.