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Friedrich von Gentz

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Datei:Friedrich Gentz.jpg
Friedrich von Gentz, Lithographie von Friedrich Lieder, 1825

Friedrich von Gentz (geb. 2. Mai 1764 in Breslau; gest. 9. Juni 1832 in Weinhaus bei Wien) war ein einflussreicher deutsch-österreichischer Schriftsteller, Staatsdenker und Politiker sowie Berater von Fürst Metternich.

Leben

Gentz wurde als Spross einer angesehenen preußischen Beamtenfamilie geboren: Sein Vater war Münzmeister, später Generalmünzdirektor in Berlin, seine Mutter eine nahe Verwandte des preußischen Ministers Jean Pierre Frédéric Ancillon. Sein Bruder Heinrich Gentz gilt als ein bedeutender Architekt des Klassizismus.

Seine Kindheit und Jugend verlebte Gentz im Umfeld des Breslauer Bildungsbürgertums, wo er zunächst das Maria-Magdalenen-Gymnasium und nach der Versetzung des Vaters nach Berlin das dortige Joachimsthaler Gymnasium besuchte. Danach schrieb sich Gentz auf Wunsch seines Vaters an der Albertina-Universität in Königsberg ein, wo er stark von den Lehren Kants beeinflusst wurde, zumal er mit diesem persönlich bekannt war und auch zum kleinen Kreis seiner Schüler gehörte. Im Anschluss an das zweijährige, unvollendete Jurastudium schlug er 1785 die Beamtenlaufbahn am preußischen Hof ein. Bis 1793 brachte er es zum 'Kriegsrat'.

Der Alltag eines politischen Zuarbeiters füllte ihn jedoch bald nicht mehr aus. Nebenher begann er mit einer Tätigkeit als Schriftsteller und Herausgeber von Periodika. Mit der 1793 erschienenen Übertragung und Kommentierung von Edmund Burkes Reflections on the Revolution in France ins Deutsche erlangte er große Bekanntheit. Zu dem geistig-politisch Erfolg trat der ökonomische, denn mit dem Schreiben wollte Gentz sein Beamtengehalt aufbessern und hoffte auch, prominente Gönner zu finden. Die Ehe mit der Tochter des Oberbaurates David Gilly 1793 verankerte Gentz noch weiter im soliden, preußischen Bürgertum, stand aber bald im starken Kontrast zu seinem bohemienhaften, Schulden treibenden Lebensstil, den er als Stammgast der florierenden Salons von Henriette Herz und Rahel Varnhagen pflegte.

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Gentz’ Residenz in Weinhaus, das Gentz-Schlössel an der heutigen Währinger Straße (vor 1918)

Auf Grund seiner immer stärker werdenden anti-französischen Haltung war er bald für die preußische Politik nicht mehr tragbar. Dazu kamen Eheprobleme, Schulden und enttäuschte Karriereerwartungen. So verließ er Berlin und übersiedelte nach einem längeren Englandaufenthalt 1802 nach Österreich, um dort als Diplomat zu arbeiten und weiter schriftstellerisch tätig zu werden. Infolge der verlorenen Schlacht von Austerlitz musste Gentz 1805 jedoch ins Exil gehen und wurde erst 1809 nach Österreich zurückbeordert. Dort wurde er in den folgenden Jahren als Metternichs Staatsschriftsteller und Ghostwriter[1] zu dessen rechter Hand bei der Konzeption der österreichischen Innen- und Außenpolitik. Besonders schätzte Metternich Gentz’ Rat bei der Gründung eines offiziösen Presseorgans, des Österreichischen Beobachters, im Jahr 1810. Schließlich ernannte Metternich Gentz zu seinem engsten Berater und ihm wurde der Titel eines außerordentlichen Hofrates verliehen. Gentz nahm so als erster Sekretär und Protokollführer 1814/1815 am Wiener Kongress teil, ebenso wie auch an allen Folgekongressen bis 1822, und half Metternich bei der Formulierung und Durchsetzung der Repressionspolitik des Deutschen Bundes gegen die liberalen und nationalen Strömungen. Spätestens als Urheber der in den Karlsbader Beschlüssen 1819 verabschiedeten Zensurpolitik wurde Gentz ebenso wie Metternich zum gehassten Symbol der vormärzlichen Reaktion. Er wurde auch "Sekretär" Europas genannt, Metternich "Kutscher Europas".

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Gentz’ Geliebte Fanny Elßler

Friedrich von Gentz war ein leidenschaftlicher Theaterbesucher. Dabei lernte er 1829 die Tänzerin Fanny Elßler kennen. Der Altersunterschied war enorm, er war 65 Jahre alt und sie 19. Zwischen den beiden entstand eine enge Beziehung, die bis zum Tode von Gentz dauerte.

Gentz entwickelte dafür noch einmal seine ganze Kunst, um zu Geld zu kommen. Er förderte Fanny, wo er nur konnte und überhäufte sie mit Geschenken. Er nahm auch die Rolle eines Mentors ein und bemühte sich, sie zu bilden, in Französisch und korrektem Deutsch zu unterrichten, veranlasste sie Bücher zu lesen und machte sie mit einflussreichen Leuten bekannt. Fanny dankte es ihm mit einer ehrlichen und tiefen Zuneigung, die aus den erhaltenen Briefen eindeutig hervorgeht.

Gentz’ politische Karriere endete abrupt, als er Anfang der 1830er Jahre Metternichs Kurs kritisierte und dieser ihm daraufhin seine Gunst entzog. Gesellschaftlich blieb er nach dem Bruch mit Metternich isoliert. Er zog sich auf sein Schlössel in Weinhaus mit Fanny Elßler zurück und verlebte mit ihr seine letzten Jahre bis zu seinem Tode im 9. Juni 1832.

Er wurde am Allgemeinen Währinger Friedhof bestattet. Zu seinen Ehren wurde 1894 die Gentzgasse im 18. Bezirk Währing benannt.

Wirken

Anfangs begrüßte Gentz, inspiriert von den Schriften und Publikationen Jean-Jacques Rousseaus, die Französische Revolution. So versuchte er in seiner Erstlingsschrift Ueber den Ursprung und die obersten Prinzipien des Rechts, die 1791 in der Berlinischen Monatsschrift publiziert wurde, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die französische Nationalversammlung zu rechtfertigen. In allen übrigen Schriften kritisierte er jedoch die Französische Revolution und die Napoleonische Expansionspolitik. Wie Edmund Burke vertrat Gentz die Idee einer auf Rationalität und Kontinuität basierenden Reformpolitik, die jeder Revolution vorbeugen sollte, und lehnte die aufklärerischen Ideale von Menschenrechten, Volkssouveränität, Freiheit und Gleichheit als unhistorisch und wider die Prinzipien der Tradition und des geschichtlich Bewährten ab. Die alte monarchische Ordnung galt ihm als höchst schützenswert, weil sie Kontinuität sicherstellte. Gentz war sich jedoch der Diskrepanz von statischer politischer Ordnung und geschichtlicher Dynamik bewusst. Deshalb plädierte er für ein Gleichgewichtssystem, das sowohl außen- als auch innenpolitisch Krieg und Revolution abwehren könne. 1830 schrieb er über die politische Lage. Er erkannte, dass durch die fortschreitende Industrialisierung die Lage der unteren Volksschichten immer unerträglicher werden würde. Damit ahnte er die Revolution von 1848 voraus.

Mit seinem Lebenswerk als Schriftsteller, Übersetzer, insbesondere der Werke Burkes, und als Staatsdenker, Politiker und Zensor gehörte Gentz, ebenso wie Metternich, zu den Entwicklern des gemäßigten Frühkonservatismus in Österreich.

Werk

Gentz verfasste in den Jahren zwischen 1791 und 1806 eine Fülle von Aufsätzen und Rezensionen, fertigte mehrere Übersetzungen an und veröffentlichte mehrere Monographien, die sich alle mit politischen Fragestellungen beschäftigten. Darüber hinaus gab er auch Zeitschriften heraus: 1790 gründete er mit G. N. Fischer die Deutsche Monatszeitschrift, die bis 1795 in Berlin und Braunschweig gedruckt wurde. 1795 bis 1803 legte er dann die Neue Deutsche Monatszeitschrift in Leipzig und schließlich in den Jahren 1799/1800 das Historisches Journal auf.

wichtigste Schriften:

  • Der Ursprung und die Grundsätze der Amerikanischen Revolution, verglichen mit dem Ursprung und den Grundsätzen der Französischen (1800). Englische Übersetzung: The Origin and Principles of the American Revolution, Compared with the Origin and Principles of the French Revolution (1800), edited and with an Introduction by Peter Koslowski, translated by John Quincy Adams (later 6th President of the United States of America) in the year 1800, Liberty Fund Indianapolis, 2009. Freie Ausgabe verfügbar online[2]
  • Ueber den Ursprung und Charakter des Krieges gegen die Französische Revoluzion (1801)
  • Von dem politischen Zustande von Europa vor und nach der Französischen Revoluzion (1801)
  • Authentische Darstellung des Verhältnisses zwischen England und Spanien vor und bei dem Ausbruche des Krieges zwischen beiden Mächten (1806)
  • Fragmente aus der neuesten Geschichte des politischen Gleichgewichts in Europa (1806)
  • Über den Unterschied zwischen den landständischen und Repräsentativverfassungen (1819)

wichtigste Übersetzungen:

  • Burke: Betrachtungen über die französische Revolution. Aus dem Englischen übersetzt (1793)
  • Mallet du Pan: Über die französische Revolution und die Ursachen ihrer Dauer. Aus dem Französischen übersetzt (1794)
  • Mounier: Entwicklung der Ursachen, welche Frankreich gehindert haben, zur Freiheit zu gelangen. Aus dem Französischen übersetzt (1794)
  • Burke: Edmund Burkes Rechtfertigung seines politischen Lebens. Aus dem Englischen übersetzt (1796)
  • d’Ivernois: Geschichte der Französischen Finanzadministration i. J. 1796. Aus dem Französischen übersetzt (1797)

Quellen

Friedrich Gentz: Gesammelte Schriften. 12 Bände in 24 Teilbänden. Hg. von Günther Kronenbitter, Hildesheim - Zürich - New York: Olms 1997–2004 (= Historia scientiarium. Geschichte und Politik).:

  • Band 1: Ueber den Ursprung und Charakter des Krieges gegen die Französische Revoluzion. Vorwort von Günther Kronenbitter, 1997. ISBN 3-487-10411-3
  • Band 2: Von dem Politischen Zustande von Europa vor und nach der Französischen Revoluzion. Vorwort von Günther Kronenbitter, 1997. ISBN 3-487-10412-1
  • Band 3: Authentische Darstellung des Verhältnisses zwischen England und Spanien, 1997. ISBN 3-487-10413-X
  • Band 4: Fragmente aus der neuesten Geschichte des Politischen Gleichgewichts in Europa, 1997. ISBN 3-487-10414-8
  • Band 5: Historisches Journal: Eine Auswahl, 1999. ISBN 3-487-10415-6
  • Band 6: Übersetzungen: Einleitungen und Kommentare, 1998. ISBN 3-487-10416-4
  • Band 7: Kleine Schriften, 1998. ISBN 3-487-10417-2
  • Band 8/1: Ein Denkmal. Briefe und vertraute Blätter, 2002. ISBN 3-487-11568-9
  • Band 8/2: Ein Denkmal. Kleinere Schriften, 1. Teil, 2002. ISBN 3-487-11569-7
  • Band 8/3: Ein Denkmal. Kleinere Schriften, 2. Teil, 2002. ISBN 3-487-11570-0
  • Band 8/4: Ein Denkmal. Briefwechsel zwischen Gentz und Johannes v. Müller, 2002. ISBN 3-487-11571-9
  • Band 8/5: Ein Denkmal. Ungedruckte Denkschriften, Tagebücher und Briefe, 2002. ISBN 3-487-11572-7
  • Band 9: Briefwechsel zwischen Friedrich Gentz und Adam Heinrich Müller: 1800–1829. 2002. ISBN 3-487-11598-0
  • Band 10/1: Briefe von Friedrich von Gentz an Pilat: ein Beitrag zur Geschichte Deutschlands im XIX. Jahrhundert. 1, 2002. ISBN 3-487-11600-6
  • Band 10/2: Briefe von Friedrich von Gentz an Pilat: ein Beitrag zur Geschichte Deutschlands im XIX. Jahrhundert. 2, 2002. ISBN 3-487-11601-4
  • Band 11: Briefe von und an Friedrich von Gentz. 4 Bde. Nachdruck, 2002. ISBN 3-487-11269-8/ ISBN 3-487-11270-1 / ISBN 3-487-11271-X / ISBN 3-487-11272-8
  • Band 12: (insgesamt 5 Bände/Teile) Tagebücher von Friedrich Gentz 1800–1831. Einleitung von Günther Kronenbitter, 2004. ISBN 3-487-12505-6

Fragmente und Auszüge aus Briefen und Werken (Volltexte):

Tagebücher (Digitalisate):

Literatur

Monographien

  • Barbara Dorn: Friedrich von Gentz und Europa. Studien zu Stabilität und Revolution 1802–1822. Dissertation, Universität Bonn, 1993.
  • Günther Kronenbitter: Wort und Macht. Friedrich Gentz als politischer Schriftsteller (= Beiträge zur Politischen Wissenschaft. Bd. 71). Berlin 1994, ISBN 3-428-07962-0.
  • Golo Mann: Friedrich von Gentz. Geschichte eines europäischen Staatsmannes. Europa Verlag, Zürich 1947 (Taschenbuchausgabe: Ullstein, Frankfurt u. a. 1972, ISBN 3-548-02935-3); durchgesehene Neuausgabe unter dem Titel Friedrich von Gentz. Gegenspieler Napoleons, Vordenker Europas. Fischer, Frankfurt 1995, ISBN 3-10-047912-2 (Taschenbuchausgabe: Fischer, Frankfurt 2011, ISBN 3-596-18800-8).
  • Harro Zimmermann: Friedrich Gentz. Die Erfindung der Realpolitik. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77132-2; Rezension Sammler amouröser Liebschaften und Verfechter des Konservatismus im Büchermarkt - Buch der Woche im Deutschlandfunk (DLF) (17. Februar 2013) von Wilfried F. Schoeller[1]


Aufsätze

Weblinks

 Commons: Friedrich von Gentz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Günther Kronenbitter: Friedrich von Gentz (1764–1832). In: Politische Theorien des 19. Jahrhunderts. Konservatismus, Liberalismus. Sozialismus. Herausgegeben von Bernd Heidenreich. 2., neu bearbeitete Auflage, Berlin 2002, S. 94
  2. http://oll.libertyfund.org/index.php?option=com_staticxt&staticfile=show.php%3Ftitle=2376&Itemid=28
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