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Else von Richthofen

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Elisabeth Frieda Amélie Sophie Freiin von Richthofen (* 8. Oktober 1874 in Château-Salins; † 22. Dezember 1973 in Heidelberg) ist bekannt als eine der ersten Sozialwissenschaftlerinnen in Deutschland, Ehefrau des Nationalökonomen Edgar Jaffé (1866–1921) und Geliebte der Soziologen und Nationalökonomen Max und Alfred Weber, deren Lebensgefährtin sie nach dem Tode ihres Mannes wurde. Ihre Schwester Frieda von Richthofen war die Frau des britischen Schriftstellers D. H. Lawrence. Beide Frauen waren „Rebellinnen, schön und leidenschaftlich, die eine dem Intellekt verpflichtet“ (Else), „die andere dem Eros“ (Frieda).[1]

Leben und Werk

Else von Richthofen war die älteste von drei Töchtern des der Heinsdorfer Linie entstammende, Friedrich Ernst Emil Ludwig Freiherr Praetorius von Richthofen (1844–1915), eines Ingenieurs in der Armee des Deutschen Reiches, und dessen Ehefrau, Anna Elise Lydia Marquier (1851–1930). Die adelige Familie war nicht sonderlich begütert: „Die Eskapaden des Vaters haben die Familie auch noch um den letzten Rest gebracht. Friedrich von Richthofen spielt und ist ständig in Frauengeschichten verstrickt, 1886 mit absehbar hohen Folgekosten: eine seiner Geliebten, Selma, ist schwanger geworden, für den außerehelichen Richthofen-Sohn wurden Alimente fällig“.[2]

Die Freiin erhielt die damals übliche Schulbildung für Mädchen ihres Standes. Sie wurde zuerst von französischen Nonnen in Metz unterrichtet und besuchte von September 1889 an in Freiburg im Breisgau ein vornehmes Mädchenpensionat. Anschließend absolvierte sie das Lehrerinnenexamen. Nach kurzer Tätigkeit als Lehrerin schrieb sich Richthofen für ein Studium an der Universität Heidelberg ein, als dies für Frauen noch sehr ungewöhnlich war; sie war eine von nur vier Frauen an der Universität. Ihr Studium setzte sie in Berlin fort.

Else von Richthofen kam mit vielen bedeutenden Frauen der Frauenbewegung in Kontakt. Dazu zählten Alice Salomon, Helene Simon und Helene Lange. 1900 promovierte sie bei Max Weber in Wirtschaftswissenschaften mit der Dissertation Über die historischen Wandlungen in der Stellung der autoritären Parteien zur Arbeiterschutzgesetzgebung und die Motive dieser Wandlungen und begann 1900, in Karlsruhe als badische Fabrikinspektorin zu arbeiten.[3]

Über die Aufgabenschwerpunkte der Gewerbeinspektorin berichtete ihre Freundin Alice Salomon: „Außer den Betrieben mit ausschließlicher Verwendung von Arbeiterinnen, z. B. den seither nicht besichtigten Konfektionsgeschäften im weitesten Sinne, ist ihr noch die Überwachung der Cigarrenfabriken und die Besorgung schriftlicher Arbeiten, insbesondere der auf die Prüfung der Arbeitsordnungen bezüglich Korrespondenzen übertragen worden […] In der letzten Zeit hat sie auch die männlichen Beamten durch ihr verständiges Eingreifen wesentlich unterstützt, dass sie in den betreffenden Industrien auch die unvollkommenen organisierten Arbeiterinnen in den Verkehr hereinzog“.[4]

1902 heiratete die Freiin Edgar Jaffé, der später als Nationalökonom und Politiker bekannt wurde. Jaffé erwarb später das Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik, dessen Herausgeber, neben ihm, Werner Sombart und Max Weber wurden. Else Jaffé hatte vier Kinder: Friedrich „Friedel“ (1903–1995), der sich nach der Emigration in die U.S.A. Friedel Jeffrey nannte, Marianne (1905–1991), Peter (1907–1915) und Hans (1909–1977). Der Ehemann starb am 29. April 1921 in einer Münchner Heilanstalt, er hatte sich von der Ermordung von Kurt Eisner und dem Rücktritt des Kabinetts, in dem er als Finanzminister Verantwortung trug, nie mehr richtig erholt.

In Else Jaffés Bekanntenkreis bewegten sich zahlreiche Intellektuelle und Schriftsteller, beispielsweise die Soziologen und Nationalökonomen Max und Alfred Weber, Otto Gross, ein früher Anhänger Sigmund Freuds, die Schriftstellerin Fanny Reventlow. Mit dem rauschgiftsüchtigen Otto Gross hatte sie eine Affäre, aus der ihr drittes Kind Peter (1907–1915) hervorging. Der Geliebte schwängerte zur gleichen Zeit die schweizerische Dichterin Regina Ullmann. Ihr Ehemann übergab selbstlos den Familiennamen an das außereheliche Kind. In der Beziehung zu Otto Gross war Else Jaffés größte Rivalin nicht die Frau von Otto Gross, „sondern ihre eigene Schwester Frieda … Mit ihr kam es zu dramatischen Eifersuchtsszenen“.[5] Vom Winter 1909/1910 an hatte sie eine Beziehung mit Alfred Weber, trennte sich 1911 von Edgar Jaffé und zog in die Nähe von München. Nach Jaffés Tod zog sie 1925 nach Heidelberg, wo sie seit 1931 im Haus Bachstraße 24 mit Alfred Weber bis zu dessen Tod 1958 zusammen lebte.

Mit Max Weber und dessen Frau Marianne verband sie seit 1895 eine enge Freundschaft, die nur zwischen 1910 und 1915 wegen ihrer Beziehung zu Alfred getrübt war. Max Weber war Pate des Sohnes Peter, dessen Patin die Schauspielerin Claere Schmid gewesen war. Als Max Weber in den letzten Jahren seines Lebens in München lehrte, hatte sie auch mit ihm seit Herbst 1918 eine intime Liebesbeziehung. Else Jaffé hatte über fünf Jahrzehnte niemals ein einziges Wort über ihre Liebesbeziehung zu Max Weber geäußert, um dessen Frau und zugleich ihre Freundin auch über den Tod hinaus nicht zu verraten. Als Max Weber schwer erkrankte, er starb am 14. Juni 1920, pflegten ihn seine Frau und seine Geliebte gemeinsam. Die Freundschaft zwischen Else und Marianne Weber blieb bis zu Marianne Webers Tod im Jahr 1954 bestehen.

Werke (Auswahl)

  • Das Wahlrecht der Arbeiterinnen zu den Gewerbegerichten, in: Die Frau, 1907, H. 10
  • Die Frau in der Gewerbe-Inspektion, in: Schriften des Ständigen Ausschusses für Arbeiterinteressen, 1910, H. 3

Literatur

  • Manfred Berger: Wer war… Else Jaffé-von Richthofen. In: Sozialmagazin. 2000, H. 4, ISSN 0340-8469, S. 6–8.
  • Janet Byrne: A Genius for Living. A Biography of Frieda Lawrence. Bloomsbury, London 1995, ISBN 0-7475-1284-1.
  • Eberhard Demm: Else Jaffé-von Richthofen. Erfülltes Leben zwischen Max und Alfred Weber. Droste Verlag Düsseldorf 2014, ISBN 978-3-7700-1632-7
  • Katharina Festner, Christiane Raabe: Spaziergänge durch das München berühmter Frauen. 2. Auflage. Arche, Zürich u. a. 1997, ISBN 3-7160-2218-7 (Aktualisierte Neuausgabe. ebenda 2008, ISBN 978-3-7160-3604-4).
  • Martin Green: Else und Frieda, die Richthofen-Schwestern. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1980, ISBN 3-423-01607-8 (dtv 1607).
  • Kirsten Jüngling, Brigitte Roßbeck: Frieda von Richthofen. Biografie. Ullstein, Berlin 1998, ISBN 3-548-30416-8 (Ullstein 30416 Die Frau in der Literatur).
  • Guenther Roth: Else von Richthofen, Edgar Jaffé und ihre Kinder im Kontext ihrer Zeit. In: Kay Waechter (Hrsg.): Grenzüberschreitende Diskurse. Festgabe für Hubert Treiber. Harrassowitz, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-447-06279-4, S. 301–317.
  • Alice Salomon: Die weibliche Gewerbeinspektorin in Deutschland. In: Die Frau. H. 2, 10.1902, S. 94–103.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Festner, Raabe 1997, S. 126
  2. Jüngling, Roßbeck 1998, S. 15.
  3. Vgl. einen Zeitungsbericht vom 1. Dezember 1901 über einen Vortrag von Else von Richthofen über ihre Tätigkeit als Fabrikinspektorin in:Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, III. Abteilung: Ausbau und Differenzierung der Sozialpolitik seit Beginn des Neuen Kurses (1890–1904), 3. Band, Arbeiterschutz, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Darmstadt 2005, Nr. 160.
  4. Salomon 1902, S. 102.
  5. Festner/Raabe 1997, S. 126.

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Else von Richthofen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.