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Deutsche Dialekte

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Dieser Artikel behandelt die Mundarten im deutschsprachigen Raum allgemein; zu deutschen Dialekten in bestimmten Regionen siehe deutsche Dialekte in Österreich und deutsche Dialekte in der Schweiz.
Deutsche und niederländische Dialektgruppen um 1990

Die deutschen Dialekte (synonym: die deutschen Mundarten) gehören zur Gruppe der westgermanischen Dialekte. Sie stehen in einem Dialektkontinuum zu den niederländischen Dialekten.

Allgemeines

Die Varietäten des Deutschen kann man unterscheiden zwischen den Standardvarietäten, z. B. Schweizer Hochdeutsch oder österreichisches Deutsch, und Nonstandardvarietäten, z. B. Sächsisch oder Kölsch.[1] Unter letzteren werden gemeinhin die eigentlichen Mundarten verstanden. Etwas ist Sprache oder Dialekt jedoch nur in Bezug auf etwas anderes. Der begriffliche Status der Bezeichnungen von Sprachvarietäten kann sich wandeln.

Im Westen ist der Ausdruck Platt für die Bezeichnung der Dialekte verbreitet, welcher nicht mit dem Plattdeutschen zu verwechseln ist. Platt ist vermutlich ein niederfränkischer Ausdruck und bedeutete „verständlich, deutlich“. Der Begriff Mundart war im 17. Jahrhundert von Philipp von Zesen erfunden worden und gilt seitdem als Synonym für Dialekt. Im 19. Jahrhundert versuchte Jacob Grimm, zwischen Dialekt (großräumiger) und Mundart (kleinräumiger) zu unterscheiden. In der NS-Zeit wurde Mundart propagiert und die „Ausmerzung“ des Begriffes Dialekt angestrebt.

Die Bezeichnungen der Dialekte haben verschiedene Bildungsformen: das oder der Dialekt („das Eitorfer Dialekt“), adjektivisch (Münchnerisch, Schwäbisch), Zusammensetzung mit -deutsch („Berndeutsch“), Ort oder Region plus Platt (Aachener Platt, Lothringer Platt).[2]

Dachsprachen

Innerhalb der deutschen Dialekte gilt das Deutsche als Dach- oder Standardsprache. Seit wenigen Jahrzehnten ist das Luxemburgische, das sich im Bereich einer mitteldeutschen Dialektgruppe entwickelt hat, auf dem Weg zu einer eigenständigen Standardsprache. Die schweizerdeutschen Dialekte hingegen sind trotz vielfältiger einheitlicher Merkmale und einer starken Verwendung im Schriftlichen nicht als einheitliche Sprache etabliert. Das Standarddeutsche Österreichs, der Schweiz und Deutschlands sind Varietäten derselben Standardsprache. In der Umgebung der Grenzen zwischen Frankreich und Belgien, Belgien und Deutschland, Luxemburg und allen Nachbarländern, Deutschland und Frankreich gibt es einige deutsche Dialektgebiete und ein niederfränkisches unter der französischen Standardsprache. Im Norden Italiens gibt es deutsche Dialekte unter der italienischen Standardsprache.

Im Mittelalter konkurrierten innerhalb der deutschen Dialekte zum einen das Mittelniederdeutsche und zum anderen das Mittelniederländische. So gehörte beispielsweise das Niederrheingebiet zum Geltungsbereich des Niederländischen, der Osten der heutigen Niederlande zum Geltungsbereich des Niederdeutschen. Das Bistum Münster galt als zweisprachig. Während die niederdeutschen Dialekte ab dem 16. Jahrhundert das Neuhochdeutsche als alleinige Schriftsprache annahmen, verblieb der Niederrhein noch bis ins 19. Jahrhundert beim Niederländischen. Eine Zweisprachigkeit wurde dort herbeigeführt, als das Gebiet endgültig zu Preußen kam und die neue Verwaltung das Deutsche als Amtssprache einführte. Ab etwa 1900 hatte sich das Deutsche am Niederrhein als Dachsprache durchgesetzt und das Niederländische wurde aus dem Gebiet zurückgedrängt. Mit einem Verbot in den späten 1930er Jahren setzten die Nationalsozialisten dem Niederländischen am Niederrhein ein offizielles Ende.

Entstehung der Dialekte und der Sprachgrenzen

Stammessprachen und Territorialdialekte

Im Mittelalter bestanden auf dem Gebiet der später deutschsprachigen Länder und der Benelux-Staaten verschiedene germanische Stammesverbände. Es waren die Stämme der Alamannen, Bajuwaren, Franken, Friesen, Sachsen und Thüringer. Alle diese Stämme besaßen ihre eigenen Sprachen, die Stammessprachen. Diese waren zwar miteinander verwandt, aber es dürften auch große Unterschiede zwischen ihnen bestanden haben.
Im Süden, im späteren Italien, bestand noch der Stammesverband der Langobarden, der zwar zu dieser Zeit noch seine germanische und auf dem althochdeutschen Stand stehende Stammessprache besaß. Da aber die Langobarden nicht zur Bildung des späteren Deutsch beitrugen, bleiben sie hier unberücksichtigt.

Im 9. Jahrhundert waren die Stämme im Reich Karls des Großen vereinigt und ab dem 10. Jahrhundert in die Stammesherzogtümer Baiern, Franken, Lothringen (seit 959 in Nieder- und Oberlothringen geteilt) und Schwaben sowie in die Landgrafschaft Thüringen organisiert. Das Gebiet der Friesen war lose dem Herrschaftsgebiet Lothringen angegliedert und diese genossen dort Autonomie. Mit Gründung der stammesgebundenen Territorien begannen sich die alten Stammessprachen zu verändern. Sie passten sich an den Grenzen gegenseitig an und es entstanden breite Übergangszonen. Da die fränkische Stammessprache die Muttersprache Karls des Großen war, dürfte sie auch Vorbildfunktion für die übrigen germanischen Sprachen des Reiches gehabt haben. Die Stammessprachen passten sich sprachlich immer mehr dem Fränkischen an und nahmen nun „südliche Züge“ an.

Als die Stammesherzogtümer in Zuge einer Reichsreform des 12. Jahrhunderts abgeschafft und neue Herrschaftsgebiete gebildet wurden, wurden die einstigen Stammessprachen zu räumlich eng begrenzten Territorialsprachen. Sie waren nun fest an ein bestimmtes Territorium gebunden, hatten aber an ihren jeweiligen politischen Grenzen weitläufige Übergangszonen, da die einzelnen Gebiete auch untereinander Handel trieben. Es entstanden auch aus diesen Territorialsprachen bedeutende Literatursprachen, die allerdings auf größere Weitläufigkeit ausgelegt waren und daher eine gewisse Standardform aufwiesen; wollten doch die Autoren auch in anderen Gebieten verstanden werden.

Im Zuge der Ostkolonisation wurden ebenfalls neue Territorialsprachen entwickelt. Sie waren Ausgleichssprachen zwischen den einzelnen Landsmannschaften, bei der ein Siedlungsdialekt des Altlandes überwog und als Basis herangezogen wurde. Dazu kamen dann zahlreiche Einflüsse der unterworfenen Völker.

Sprachgrenzen

In der Zeit des Mittelalters bildeten sich allmählich deutliche sprachliche Grenzen heraus. Seit dem 6. Jahrhundert wanderten slawische Stämme in das spätere Ostdeutschland ein und ließen sich dort nieder. Seit dem 8. Jahrhundert war die sogenannte Elbe-Saale-Böhmerwald-Adria-Linie auch die Sprachgrenze zwischen Slawen und den Germanen in Europa. Erst in den Zeiten der Ostkolonisation wurde die sogenannte Slawengrenze zurückgedrängt, aber nie endgültig aufgehoben. So lebt seit einem Jahrtausend das Volk der Sorben inmitten des deutschen Sprachraumes, während sich das Elbslawische im Wendland noch bis ins 18. Jahrhundert halten konnte.

Im 10. Jahrhundert bildete sich die germanisch-romanische Grenze aus. Die Germanen im einstigen Gallien wurden von der romanischen Mehrheitsbevölkerung romanisiert, die Romanen des Maas-Schelde-Gebietes germanisiert. Im 11. Jahrhundert hatte sich jene Linie herausgebildet, die im Wesentlichen noch heute die germanisch-romanische Sprachgrenze darstellt.

Dialektgrenzen

Karte der deutschen Mundarten aus dem Brockhaus Konversationslexikon (Leipzig 1894). Sie entspricht in verschiedener Hinsicht nicht mehr dem aktuellen Kenntnisstand. So geht etwa die Forschung heute nicht mehr vom Vorhandensein einer – womöglich gar auf die Angrivarier zurückgehenden – „engrischen“ Dialektgruppe aus.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert dachte man, in den alten Stammesgrenzen auch die deutschen Dialektgrenzen gefunden zu haben. Der Germanist Georg Wenker schickte in den 1870er Jahren Fragebögen in die Schulen der Rheinprovinz, in denen die Schulkinder die Fragen in den einheimischen Dialekt übersetzten sollten, später dann nach Norddeutschland und Mitteldeutschland, dann nach Schwaben, Franken und die Schweiz. So wurde bis 1939 allmählich der ganze deutsche Sprachraum erfasst und die Ergebnisse in Karten eingezeichnet. Dabei fand man heraus, dass sich die deutschen Dialekte nicht an den historischen Stammesherzogtümer der Frühzeit, sondern eher an denen der mittelalterlichen Territorien orientierten und dass zwischen diesen breite Übergangszonen bestanden. Infolgedessen stimmt etwa das Moselfränkische fast mit den alten politischen Grenzen des Erzbistums Trier,[3] das Innerschwäbische mit denjenigen Altwürttembergs[4] überein.

Als Begrenzung zwischen den einzelnen Dialekten dienten dann verschiedene Isoglossenbündel. Heute werden in der Germanistik die Benrather Linie (maken/machen-Linie) als Dialektscheide zwischen Niederdeutsch sowie des Niederfränkischen und dem Mitteldeutschen angesehen. Als Grenze zwischen dem Mitteldeutschen und dem Oberdeutschen wird heute die Speyerer Linie (Appel/Apfel-Linie) oder auch die Germersheimer Linie (Pund/Pfund-Linie) angesehen. Allerdings war es bis in die 1970er Jahre auch üblich, als Dialektscheide zwischen Niederdeutsch und Mitteldeutsch die Uerdinger Linie (ik/ich-Linie) und die Karlsruher Linie (enk/euch- und die mähen/mähet-Linie) zwischen Mitteldeutsch und Oberdeutsch zu ziehen. Diese Isoglossen-Linien gelten aber inzwischen als untauglich, da sie unter anderem das eindeutig oberdeutsch geprägte Ostfränkisch und das benachbarte Südrheinfränkisch dem Mitteldeutschen zuschlagen.

Verwandtschaften und Abgrenzungen

Die deutschen Dialekte sind eng mit den niederländischen verwandt, da die Staatsgrenzen keine Dialektgrenzen darstellten. So werden Varianten des Niedersächsischen (Nedersaksisch) im Osten der Niederlande gesprochen. Diese sind zwar stark vom Niederländischen beeinflusst, sind aber mit dem Niederdeutschen näher verwandt. Ein vergleichbares Verhältnis gibt es auch zwischen den niederdeutschen Dialekten und dem Deutschen. Während man die niederdeutschen und niederländischen Dialekte noch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert auf beiden Seiten der Staatsgrenzen als „Platt- oder Niederdeutsch“ zusammenfasste, ist heute die Zugehörigkeit der niederfränkischen Sprachen zum Niederdeutschen äußerst umstritten, da es sich eigentlich um Übergangsdialekte des Mitteldeutschen zum Niederdeutschen, d. h. zu den niedersächsischen Dialekten, handelt.[5] Aber es gibt aus dem 17. Jahrhundert niederländische Zeugnisse, dass dort die niederländischen Dialekte noch als Teil der deutschen Sprache empfunden wurden, da es ursprünglich nicht weiter vom Hochdeutschen entfernt war als das eigentliche Niederdeutsche.[6] Die friesische und niederdeutsche Sprache zählen nach den meisten germanischen Sprachgruppierungen zum nordseegermanischen Zweig des Westgermanischen, wobei sich das Niederdeutsche schon früher davon trennte und das Englische mit dem Friesischen zusammen lange noch das Anglo-Friesische bildete. Das Ostfriesische wurde durch niedersächsische Mundarten verdrängt und ist fast völlig ausgestorben.

Gliederung

Übersicht

Die Gliederung von Dialekten eines Dialektkontinuums ist ein wissenschaftlich-abstraktes linguistisches Konstrukt. Man könnte die einzelnen Dialekte auch anders gruppieren und klassifizieren, was nicht zuletzt durch die zwischen allen Mundarträumen bestehenden Übergangsdialekte illustriert wird. Trotzdem sind die im 19. Jahrhundert entwickelten Gliederungen (linguistisch anhand der Zweiten Lautverschiebung, namenstechnisch problematischerweise nach antik-frühmittelalterlichen Kulturkreisen („Stämme“)) bisher nicht ersetzt worden.

Die Gliederung der Dialekte nach dem Grad der Ausbreitung von Merkmalen der Zweiten Lautverschiebung führte zur Unterteilung in Nieder- und Hochdeutsch und zur Einteilung des Hochdeutschen in Mittel- und Oberdeutsch. Beispiel für die in der Praxis bestehenden Übergänge, die durch die theoretische Gliederung nicht abgebildet sind, ist der als Berlinerisch bekannte, aber eigentlich in Brandenburg stärker verbreitete Dialekt, der nieder- und mitteldeutsche Sprachmerkmale aufweist.

Die Zuordnung der Mundarten zu germanischen Gruppen der Antike und des Frühmittelalters (vor allem Franken, Alemannen, Baiern, Sachsen) ist, wie man mittlerweile weiß, problematisch. Die Dialektgeographen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hofften, einen Beitrag zur Rekonstruktion früherer Siedlungsgebiete germanischer Kulturkreise („Deutsche Stämme“) leisten zu können. Dies ist jedoch fast überwiegend Aufgabe der Archäologie.

Niederfränkische Mundarten

Hauptartikel: Niederfränkisch

Das niederfränkische Dialektkontinuum erstreckt sich über die Niederlande, den flämischen Teil Belgiens und ein kleines Gebiet im äußersten nördlichen Teil Frankreichs (sogenanntes „Französisch-Flandern“). Niederfränkische Dialekte werden zumeist außerhalb Deutschlands und am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen gesprochen.

Niederdeutsche Mundarten

Hauptartikel: niederdeutsche Sprache

Die niederdeutschen Dialekte (auch „Platt“ bzw. „Plattdeutsch“) werden – in Analogie zum Ober- und zum Mitteldeutschen – oft in Niedersächsisch (auch: „Westniederdeutsch“) und Ostniederdeutsch, seltener – aufgrund der sprachlichen Struktur – in „Nord-“ und „Südniederdeutsch“ unterteilt.[7]

Das Niedersächsische gliedert sich in Westfälisch, Ostfälisch und Nordniedersächsisch, diese wiederum in Untermundarten in den nordöstlichen Gegenden der Niederlande und beinahe im gesamten nordwestdeutschen Sprachraum in Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und dem westlichen Sachsen-Anhalt.

Das Ostniederdeutsche, in welchem sich Spuren von slawischen Dialekten sowie anderen deutschen und niederländischen Siedlermundarten nachweisen lassen, verbreitete sich seinerzeit durch Wanderungsbewegungen über Pommern und Altpreußen bis auf das Baltikum. Es wird in Brandenburgisch (Märkisch) und Mecklenburgisch-Vorpommersch gegliedert, historisch zählen auch ostpommersche und niederpreußische Mundarten dazu. Das Berlinerische, ein mitteldeutsch-niederdeutscher Mischdialekt, wird je nach linguistischer Perspektive zusammen mit dem Südmärkischen teils dem (Ost-)Niederdeutschen, teils dem (Ost-)Mitteldeutschen zugeordnet.

Gliedert man das Niederdeutsche hingegen in eine nördliche und eine südliche Gruppe, so bilden Nordniedersächsisch und Mecklenburgisch-Vorpommersch, historisch auch Hinterpommersch und Niederpreußisch das Nordniederdeutsche; Westfälisch, Ostfälisch und Brandenburgisch (Märkisch) bilden das Südniederdeutsche.

Das ostfriesische Platt im Nordwesten Norddeutschland gehört entgegen seinem Namen nicht zum Friesischen, sondern zu den niederdeutschen Dialekten. Es hat das vormals Friesische verdrängt und dessen Namen übernommen.

Die niederdeutschen Dialekte wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts als vordringliche Umgangssprache benutzt, insbesondere in ländlich strukturierten Gegenden. Im Mittelalter und in der Frühneuzeit in Norddeutschland nicht zuletzt auch als Schriftsprache, z. B. Kanzleisprache, als Verkehrssprache der Hanse bis ins Baltikum. Unter anderem durch den Einfluss der Reformation (hochdeutsche Lutherbibel) und durch Zuwanderungen wurde es nach und nach zurückgedrängt und ist, insbesondere in Großstädten, teilweise ganz verschwunden.

Die niederdeutschen Dialekte weisen mit dem von den besonders mitteldeutschen Dialekten geprägten Standarddeutsch (Hochdeutsch oder Schriftdeutsch) geringe strukturelle Ähnlichkeiten auf, prägen allerdings in mancherlei Hinsicht die deutsche Standardaussprache.

Hochdeutsche Mundarten

Die Lautverschiebung hat im Niederdeutschen und im Niederländischen überhaupt nicht stattgefunden. Im Mitteldeutschen erfolgte die zweite Lautverschiebung in weniger starkem Umfang. Im Oberdeutschen ist die zweite Lautverschiebung in stärkerem Maße durchgeführt worden. Diese zweite westgermanische Lautverschiebung setzte bereits im Frühmittelalter (1. Jahrhundert n. Chr.) im Südosten des germanischen (heute deutschen) Sprachgebietes ein, breitete sich kontinuierlich nach Nordwesten und in den Norden aus und beeinflusste die Dialekte unterschiedlich stark. Die zweite Lautverschiebung umfasst die Veränderungen mehrerer Lautmerkmale, die an der Entwicklung von „maken“ (niederdt.) zu „machen“ (hochdt.) (sogenannte Benrather Linie) und von „ik“ (niederdt.) zu „ich“ (hochdt.) (sogenannte Uerdinger Linie) festgemacht werden, ohne dass es sich hierbei um eine tatsächliche Mundartgrenzen handelt, da die Veränderungen der Mundarten fließend (kontinuierlich) über kleine Veränderungen von Ort zu Ort vonstattengehen.

Mitteldeutsche Mundarten

Hauptartikel: mitteldeutsche Sprachen und Dialekte

Das Mitteldeutsche teilt sich in eine westliche und östliche Hälfte. Beide Gebiete werden topographisch nur durch ein schmales Gebiet zwischen Kassel und Eisenach verbunden (dort kommen sich Ober- und Niederdeutsch am nächsten). Die Sprachgrenzen, die West- von Ostmitteldeutsch trennen, verlaufen ebenfalls in dieser Gegend zwischen den Flüssen Werra und Fulda. Gerne wird die Isoglosse ausgewählt, die westliches „Pund“ von östlichem „Fund“ (für standarddeutsch „Pfund“) trennt.

Die westmitteldeutschen Dialekte gehören alle zu den sogenannten fränkischen Mundarten. Sie werden in Rheinfränkisch, Moselfränkisch und Ripuarisch gegliedert und vor allem in Luxemburg (wo die regionale Variante Luxemburgisch zu einer Schriftsprache ausgebaut worden ist) sowie im Saarland und in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz und Hessen gesprochen, aber auch im nordwestlichen Baden-Württemberg, im französischen sowie belgischen Grenzgebiet, im Südostzipfel der Niederlande und nicht zuletzt im südwestlichen Nordrhein-Westfalen.

Das Ostmitteldeutsche ist im Vergleich zum Westmitteldeutschen ein einheitlicheres Gebiet. Sein heutiges Verbreitungsgebiet deckt sich in etwa mit dem der thüringisch-obersächsischen Mundarten, das ungefähr die Südhälfte der ehemaligen DDR einnimmt. Historisch gehören auch das Schlesische und das Hochpreußische dazu.

In den mitteldeutschen Dialekten haben sich die Sprachmerkmale der Zweiten Lautverschiebung weniger stark als im Oberdeutschen durchgesetzt. Für die Abgrenzung zum Oberdeutschen werden meist diejenigen Isoglossen herangezogen, die älteres „p“ vom neueren „pf“ trennen – in den heutigen oberdeutschen Gebieten wurde „p“ nach „pf“ verschoben. Allerdings fallen nicht alle p/pf-Grenzen in einem Isoglossenbündel zusammen – die Verschiebung hängt ab vom Wort, in dem „p“ auftritt, und von der Lage des „p“ im Wort (vgl. „Pfund“, „Apfel“). Oft wird die Apfel-Appel-Grenze als Merkmal ausgewählt. Besonders uneinheitlich verbreitet haben sich die Merkmale der Zweiten Lautverschiebung im Westmitteldeutschen (siehe Rheinischer Fächer).

Oberdeutsche Dialekte

Hauptartikel: oberdeutsche Dialekte

Das Oberdeutsche wird in Nord-, West- und Ostoberdeutsch differenziert. Das Nordoberdeutsche untergliedert sich in Ostfränkisch und Südfränkisch; das Südfränkische wird auch Südrheinfränkisch genannt (es gehört aber nicht zum mitteldeutschen Rheinfränkischen). Das Westoberdeutsche ist besser als Alemannisch oder Schwäbisch-Alemannisch, das Ostoberdeutsche besser als Bairisch bekannt. Die oberdeutschen Dialekte – und innerhalb desselben die hoch- und höchstalemannischen sowie die Tiroler Dialekte – sind durch die umfangreichste Verbreitung der Merkmale der Zweiten Lautverschiebung gekennzeichnet.

Während das Südfränkische nur einen kleinen Teil im Nordwesten Baden-Württembergs einnimmt, dehnt sich das Ostfränkische über ein größeres Gebiete aus. Es wird vor allem im Nordwesten Bayerns, in Südthüringen und im Nordosten Baden-Württembergs gesprochen. Die Grenzen zum Mitteldeutschen einerseits und zum ebenfalls oberdeutschen Alemannischen und Bairischen anderseits sind fließend; hier zu nennen sind etwa fränkisch-schwäbische Mischgebiete in Baden-Württemberg und in Bayern um Dinkelsbühl und Hesselberg und ein fränkisch-niederalemannisches Mischgebiet um Rastatt.

Verbreitungsgebiet des Westoberdeutschen im 19. und 20. Jahrhundert

Das Verbreitungsgebiet der alemannischen (westoberdeutschen) Mundarten umfasst in etwa den deutschsprachigen Teil der Schweiz, in Österreich Vorarlberg und kleine Gebiete im äußersten Westen Tirols, in Bayern vor allem den Regierungsbezirk Schwaben, in Baden-Württemberg die südlichen zwei Drittel des Landes und in Frankreich – zumindest historisch gesehen – weite Teile des Elsasses. Das Alemannische wird meist in Schwäbisch, Oberrhein- oder Nieder-, Bodensee- oder Mittel-, Hoch- und Höchstalemannisch gegliedert. Die Bezeichnung Niederalemannisch ist mehrdeutig; sie kann Oberrheinalemannisch meinen oder aber als Oberbegriff für Oberrhein- und Bodenseealemannisch gebraucht werden. Das Alemannische wird vom Bairischen durch eines der ausgeprägtesten Isoglossenbündel (Zusammenfall mehrerer dialektunterscheidender Merkmale) des deutschen Sprachraums getrennt. Einen Übergangsbereich bildet allerdings das bairisch-schwäbische Gebiet des Lechrains.

Das Verbreitungsgebiet der bairischen (ostoberdeutschen) Mundarten umfasst Österreich mit Ausnahme Vorarlbergs, im deutschen Bundesland Bayern die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz und in Italien nahezu das gesamte Südtirol. Die relativ homogene bairischen Dialektlandschaft wird in nord-, mittel- und südbairisch untergliedert. Als mittelbairische Sondermundart gilt Wienerisch, die Stadtmundart Wiens. Zum Ostfränkischen bestehen nicht unwesentliche Übergangsmundarten, unter denen vor allem das Nürnbergische bekannt ist. Zur Abgrenzung zum Ostfränkischen wird gerne die Isoglosse herausgegriffen, die bairisches „enk“ von ostfränkischem „euch“ trennt (standarddeutsch „euch“).

Verbreitungsgebiete

Räumliche Verteilung der niederländischen und deutschen Dialekte bis ca. 1945. Gelb=Niederdeutsch, Blau=Mitteldeutsch, Dunkelgrün=Oberdeutsch
Datei:Heutige deutsche Mundarten.PNG
Heutige räumliche Verteilung der deutschen Dialekte.
Gelb=Niederdeutsch, Blau=Mitteldeutsch, Dunkelgrün=Oberdeutsch

Bis spätestens 1945 wurden deutsche Dialekte in beachtlichen Teilen Zentral- und Osteuropas gesprochen. Schon während des Zweiten Weltkrieges wurden jedoch viele Streusiedlungen, z. B. im Baltikum, in Wolhynien, Kroatien, Bessarabien und Südtirol, aufgelöst. Die hiervon Betroffenen, rund eine Million Sprecher, wurden vor allem im besetzten Polen und hier besonders im Wartheland angesiedelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie, genau wie die angestammte deutschsprachige Bevölkerung Polens und der deutschen Ostgebiete, vertrieben. Schon 1941 wurden alle Wolgadeutschen von Stalin nach Sibirien deportiert. Das Schicksal der Vertreibung traf nach 1945 auch die meisten noch in Osteuropa verbliebenen Sprecher deutscher Mundarten. Ausnahmen bildeten die Rumäniendeutschen und die Ungarndeutschen, die in ihrer Mehrheit von Vertreibungen nicht betroffen war. Dennoch geht hier die Zahl deutscher Mundartsprecher bis heute stark zurück, sei es durch Aussiedlung (Rumänien), sei es durch Assimilation (Ungarn), so dass die dortigen deutschen Dialekte heute in ihrer Existenz bedroht sind. Die Nachfahren der Vertriebenen gingen sprachlich in die neuen Wohngebiete auf.

Das heutige autochthone Verbreitungsgebiet deutscher Dialekte umfasst vor allem Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und angrenzende Gebiete in Frankreich, Belgien, Italien und Dänemark. Dazu kommen in Europa Sprachinseln in Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien und der Ukraine.

Zu den allochthonen Verbreitungsgebieten gehören außerhalb Europas:

Zu unterscheiden von den eigentlichen Dialekten sind nationalen Varianten der deutschen Sprache in Übersee. In Namibia etwa wird eine Variante des Deutschen verwendet, welche durch Einflüsse aus dem Afrikaans und Englischen geprägt ist, aber nicht als Dialekt einzustufen ist. Siehe hierzu Deutsche Sprache in Namibia.

Dialekt heute

Die kleinräumigen Isolationen, die lokalen Sprachunterschied förderten (und damit eine Grundlage von Basisdialekten), sind aufgehoben. Ungleich mehr als in Jahrhunderten zuvor werden die überkommenen lokalen Sprechweisen und Sprachsysteme durch großräumig wirkende Sprachen (Standardsprachen, Umgangssprachen, Fachsprachen, Mediensprachen) beeinflusst und nivelliert. Dialekte erstrecken sich heute eher regional.

Dialekte und ihr Verbreitungsgebiet können eine ausschlaggebende kulturelle Identität vermitteln, weswegen Dialektgebiete laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung ifo beispielsweise die Umzugsentscheidungen vieler Menschen beeinflussen.[8]

Belgien

In Ostbelgien ist durch den Einfluss hochdeutscher Medien ein Rückzug der Dialekte festzustellen. Tendenziell sind die Dialekte im Kanton Eupen stärker unter Druck als in der belgischen Eifel, in der die Mundarten noch eine starke Stellung haben.[9] Interessant ist die Stellung der Dialekte in den Plattdeutschen Gemeinden, in denen Teile der Bevölkerung neben dem deutschen Dialekt nicht Standarddeutsch, sondern Französisch als Hochsprache verwenden.

Luxemburg

In Luxemburg ist der dortige mittelfränkische Dialekt zur – freilich nach wie vor vergleichsweise wenig geschriebenen – Standardsprache ausgebaut und 1984 formal zur Nationalsprache aufgewertet worden.

Frankreich

In Frankreich stehen die deutschen wie alle anderen Mundarten auch gegenüber dem Standardfranzösischen in einer passiven Stellung und werden von diesem in vielen Gebieten verdrängt.

Schweiz

In der Schweiz haben die deutschen (vor allem alemannischen) Mundarten in der Öffentlichkeit gegenüber dem Standarddeutsch an Terrain gewonnen. Dieser Prozess hängt nicht nur mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts zusammen, sondern hat Vorläufer in Entwicklungen, die sich über einen langen Zeitraum bis ins Spätmittelalter zurückverfolgen lassen (Betonung der Eigenstaatlichkeit, hochalemannisches Dialektkontinuum). Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Anwendungsgebiete von Standarddeutsch und Schweizerdeutsch klarer als heute definiert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in der Schweiz eine eigentliche „Mundartwelle“, die den Geltungsbereich des Standarddeutschen verschiedentlich in Frage gestellt hat. Standarddeutsch wird nur in bestimmten Lebensbereichen angewandt, etwa in einem Teil der Parlamente, im Schulunterricht, in den Universitätsvorlesungen, in gewissen Radio- und Fernsehsendungen, bei Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln u. ä. Eine nicht unwichtige Rolle spielten dabei Jugendkultur, Mundartrock und Lokalradios. Nicht zuletzt bedingt durch die Omnipräsenz des Schweizerdeutschen in Fernsehen und Radio, aber natürlich auch der Mobilität werden ausgeprägte Dialektunterschiede zunehmend abgebaut, und der lexikalische und grammatische Abstand zur Schriftsprache wird laufend kleiner.

Österreich

In Österreich werden die angestammten Mundarten vor allem in den ländlichen Gebieten noch sehr häufig gesprochen, wenn auch hier eine Tendenz zur Verwendung von weniger eng regional begrenzten Ausgleichsmundarten besteht. Ein starker Rückgang der Mundart ist nur in Wien zu verzeichnen, wo laut Schätzungen nur noch ca. zehn Prozent das angestammte mittelbairische Wienerisch sprechen. Der Großteil spricht entweder einen anderen Dialekt oder ein Deutsch mit besonderem Wiener Akzent. In den anderen österreichischen Bundesländern sind solche Rückgänge in schwächerer Form nur in den Landeshauptstädten oder in Gebieten mit viel Zuwanderung zu verzeichnen.

Deutschland

In Deutschland stehen Gebiete, in denen die Mundarten aus verschiedenen Gründen unter mehr oder weniger starkem Druck stehen und auf dem Rückzug sind, im Kontrast zu Gegenden, in denen die Dialekte eine vergleichsweise gute bis starke Stellung haben. Allgemein ist jedoch überall durch den Einfluss hochdeutscher Medien und der Mobilität zahlreicher Menschen (und damit der Vermischung der einzelnen Varianten) ein starker Rückzug aller Dialekte festzustellen. So wurden 13 deutsche Regionalsprachen, darunter auch Kölsch und Bairisch, von der Weltbildungsorganisation als vom Aussterben bedroht gemeldet.[10]

Erforschung und Dokumentation

Siehe auch Dialektologie.

Frühe Wissenschaft

Frühe Wörterbücher und Wortlisten waren die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verfassten sogenannten Idiotika, kleinere und größere Zusammenstellungen des landschaftlich gebundenen Wortschatzes, der anderswo nicht bekannt war. Frühe grammatische Darstellungen waren etwa Franz Joseph Stalders Die Landessprachen der Schweiz oder schweizerische Dialektologie von 1819 und Johann Andreas Schmellers Mundarten Bayerns, grammatisch dargestellt von 1821.

Dialektwörterbücher

Mit Schmellers Bayerischem Wörterbuch von 1827–1836 wurde die Grundlage der modernen Dialektlexikographie geschaffen. Ab dem späteren 19. und dem frühen 19. Jahrhundert wurden für den ganzen deutschen Sprachraum wissenschaftlich erarbeitete mehrbändige Dialektwörterbüchern in Angriff genommen, die sogenannten „großlandschaftlichen Wörterbücher der deutschen Dialekte“. Diese schließen teilweise auch den historischen Wortschatz mit ein (konsequent in den Wörterbüchern für die Schweiz, für Österreich, Bayern, Württemberg, Mecklenburg und Hamburg), konzentrieren sich aber häufiger auf den rezenten Wortschatz der jeweiligen Region.[11] Die Mehrheit dieser Werke ist heute abgeschlossen, etliche sind aber noch in Arbeit. Regionale und lokale Mundartwörterbücher stammen hingegen oft aus der Feder von Amateuren und weisen demnach eine recht unterschiedliche Qualität auf.

Eine Zusammenstellung der großlandschaftlichen Wörterbücher bietet die Liste bedeutender Wörterbücher#Großlandschaftliche und sonstige mehrbändige Dialektwörterbücher aus dem deutschen Sprachgebiet.

Dialektgrammatiken

Grundlegend für die moderne dialektologische Lautlehre war Jost Wintelers Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus in ihren Grundzügen dargestellt von 1875/76. Ihr schlossen sich in den folgenden rund siebzig Jahren eine große Zahl vorerst junggrammatisch orientierter Ortsgrammatiken an, welche durchwegs die Phonologie und oft auch die Morphologie, erst in jüngerer Zeit auch die Syntax darstellen. Diese Werke bilden bis heute eine unverzichtbare, wenngleich manchmal vergessene Grundlage für das dialektologische Arbeiten. Eine klassische Reihe solcher junggrammatisch orientierter Publikationen stellen beispielsweise die Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik dar. Die Publikation von Ortsgrammatiken hat nach dem Zweiten Weltkrieg stark nachgelassen, ist aber bis heute nicht versiegt.

Eine Zusammenstellung (einschließlich der Kartierung der Dialektgrammatiken) bietet Peter Wiesinger, Elisabeth Raffin: Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte. Laut-, Formen-, Wortbildungs- und Satzlehre. 1800–1980, Bern, Frankfurt am Main 1982; dazu ein Nachtragsband von 1987.

Sprachatlanten

Das erste große Projekt für einen Sprachatlas war der Sprachatlas des Deutschen Reichs, an dem ab 1876 unter der Leitung von Georg Wenker gearbeitet wurde und dem es noch ausschließlich um die Erfassung der verschiedenen Lautverhältnisse innerhalb des Deutschen ging. Dieser wurde ab 1939 unter der Leitung von Walther Mitzka durch den Deutschen Wortatlas ergänzt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert publizierte für den schwäbischen Raum Hermann Fischer einen eigenen Sprachatlas.

Der erste moderne Sprachatlas, der seinerseits maßgeblich für alle folgenden war, ist der 1935 begründete Sprachatlas der deutschen Schweiz. Ganz im Sinne der neu aufgekommenen Forschungsrichtung Wörter und Sachen, die den „Atomismus“ der Junggrammatiker ablösen wollte, war ein zentrales Anliegen dieser jüngeren Atlanten die Verbindung zwischen den Wörtern und den von ihnen bezeichneten Gegenständen und Sachverhalten.

Sind die bisherigen Sprachatlanten noch in erster Linie der Phonologie, der Morphologie und der Lexik gewidmet, so sind seit jüngster Zeit – inspiriert durch die niederländische Dialektologie – auch mehrere Atlanten über die Dialektsyntax in Arbeit oder in Planung, etwa zur Deutschschweiz,[12] zu Hessen[13] und zum bairisch-österreichischen Sprachraum.

Man kann bei Sprachatlanten zwischen Großraum- und Kleinraumatlanten unterscheiden.[14] Über die Internetseiten des Deutschen Sprachatlasses wird auf viele Atlasprojekte hingewiesen.[15] Eine aktuelle Zusammenstellung über Atlanten und Übersichten bringen sodann Niebaum/Macha 2006.

Historische Dialektologie und Dialektgeographie

Ausgehend insbesondere von den reichhaltigen Daten der Sprachatlanten, oft aber ergänzt durch eigene Erhebungen, war das 20. Jahrhundert die große Zeit der Dialektgeographie. Die Schule von Theodor Frings prägte die historische Dialektologie, in der es um die Herausbildung der Dialekträume Deutschlands ging. Der rezenten Dialektgeographie widmeten sich Ferdinand Wrede und seine Schule, der Sprachraumbildung Schwabens Karl Bohnenberger (ein Schüler Hermann Fischers) und derjenigen der deutschen Schweiz Rudolf Hotzenköcherle mit seinen Schülern.

Dialektwandel

Der im 20. und 21. Jahrhundert sich vollziehende Dialektwandel ist derzeit noch wenig untersucht. Ausgenommen hiervon ist der Südwesten Deutschlands und das angrenzende Elsass, wo sich zwei größere, an der Universität Freiburg im Breisgau und, im zweiten Fall, auch an der Universität Straßburg angesiedelte Projekte diesem Thema widmen.[16]

Regionalsprachenforschung

Dialekte werden mehr und mehr von Regionalsprachen abgelöst, weshalb nun auch letztere in den Fokus der Wissenschaft geraten sind. Ein von der Mainzer Akademie getragenenes Langzeitprojekt, genannt REDE.de, widmet sich dieser Thematik.[17] Ein weiteres Forschungsprojekt, nämlich der Atlas zur deutschen Alltagssprache, ist an den Universitäten von Salzburg (zuvor Augsburg) und Lüttich angesiedelt.[18]

Wahrnehmungsdialektologie

Gegenstand dieses erst in jüngster Zeit aufgekommenen Zweigs der Dialektforschung sind die linguistischen, geographischen, sozialen, kognitiven und visualisierten Raumkonzeptionen von regionalen Varietäten des Deutschen aus der Sicht deutschsprachiger linguistischer Laien.[19]

Siehe auch

Literatur

Allgemeines
  • Ulrich Ammon: Was ist ein deutscher Dialekt? In Klaus Mattheier (Hrsg.): Dialektologie des Deutschen. Tübingen 1994, S. 369–384, ISBN 3-484-31147-9.
  • Werner Besch (Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2 Bde. de Gruyter, Berlin 1982, 1983, ISBN 3-11-005977-0, 3-11-009571-8.
  • Eckhard Eggers (Hrsg.): Moderne Dialekte – neue Dialektologie. Akten des 1. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Forschungsinstitut für Deutsche Sprache „Deutscher Sprachatlas“ der Philipps-Universität Marburg vom 5. bis 8. März 2003. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08762-1.
  • Karl-Heinz Göttert: Alles außer Hochdeutsch. Ein Streifzug durch unsere Dialekte, Berlin 2011, ISBN 978-3-550-08877-3.
  • Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. München 2005, ISBN 3-423-03025-9.
  • Arnulf Krause: Die Geschichte der Germanen. Campus, Frankfurt/Main 2005, ISBN 3-593-37800-0.
  • Alfred Lameli: Strukturen im Sprachraum. Analysen zur arealtypologischen Komplexität der Dialekte in Deutschland. Berlin, Boston 2013. ISBN 3-110331-23-3.
  • Klaus J. Mattheier: Pragmatik und Soziologie der Dialekte. Quelle & Meyer, Heidelberg 1980, ISBN 3-494-02116-3.
  • Hermann Niebaum, Jürgen Macha: Einführung in die Dialektologie des Deutschen. Tübingen 2006, ISBN 3-484-26037-8.
  • Viktor M. Schirmunski: Deutsche Mundartkunde. Vergleichende Laut- und Formenlehre der deutschen Mundarten. Aus dem Russischen übersetzt von Wolfgang Fleischer. Hrsg. und kommentiert von Larissa Naiditsch, unter Mitarbeit von Peter Wiesinger. Frankfurt am Main u. a., Lang 2010. ISBN 978-3-631-59973-0
  • Peter Wiesinger: Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte (1800 bis 1980). Lang, Bern 1982, ISBN 3-261-03200-6, ISBN 3-261-03201-4.
  • Peter Wiesinger: Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte (1981 bis 1985 und Nachträge). Lang, Bern 1987, ISBN 3-261-03738-5.
Sprachatlanten

Großraumatlanten:

  • Deutscher Sprachatlas, 1927–1956, Digitale Version
  • Kleiner deutscher Sprachatlas, 1984–1999
  • Deutscher Wortatlas
  • Wortatlas der deutschen Umgangssprachen
  • Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland
  • Wortatlas der kontinentalgermanischen Winzerterminologie (WKW)

Kleinraumatlanten:

  • Atlas linguistique et ethnographique de l’Alsace (ALA), 1969/1985
  • Bayerischer Sprachatlas: Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (SBS); Sprachatlas von Oberbayern (SOB); Sprachregion München (SRM); Sprachatlas von Niederbayern (SNiB); Nordostbayerischer Sprachatlas (Oberfranken und Oberpfalz, SNOB); Sprachatlas von Mittelfranken (SMF); Sprachatlas von Unterfranken (SUF)
  • Luxemburgischer Sprachatlas, 1963, Digitale Version
  • Sprachatlas von Oberösterreich, 1998ff.
  • Sprachatlas der deutschen Schweiz, 1962–2003
  • Siebenbürgisch-Deutscher Sprachatlas
  • Südwestdeutscher Sprachatlas, 1972–2012
  • Thüringischer Dialektatlas, 1961–1965
  • Tirolischer Sprachatlas, 1965–1971
  • Vorarlberger Sprachatlas, 1964ff.
Zeitschriften
  • Beiträge zur deutschen Philologie (BDPH). Gießen 1954f. ISSN 0522-5341(?!?!)
  • Deutsche Dialektographie (bis Bd 100 „Deutsche Dialektgeographie“) (DDG). Marburg 1908f. ISSN 0179-3241
  • Germanisch-romanische Monatsschrift (GRM). Heidelberg 1909f. ISSN 0016-8904
  • Teuthonista
  • Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik (ZDL)
  • Zeitschrift für deutsche Mundarten (ZDM)
  • Zeitschrift für deutsche Philologie (ZDPH)
  • Zeitschrift für deutsche Sprache (ZDS)
  • Zeitschrift für Germanistik und Linguistik (ZGL)
  • Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten (ZHM)
  • Zeitschrift für Mundartforschung (ZMF)

Weblinks

 Wikisource: Wörterbücher deutscher Dialekte – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Ammon 1994:370.
  2. Karte zur Verwendung von Dialekt, Platt, Mundart
  3. Theodor Frings: Sprache, in: Hermann Aubin, Theodor Frings, Josef Müller: Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden. Geschichte, Sprache, Volkskunde, Bonn 1926, S. 90–185.
  4. Friedrich Maurer: Zur Sprachgeschichte des deutschen Südwestens, in: Friedrich Maurer (Hrsg.): Oberrheiner, Schwaben, Südalemannen. Räume und Kräfte im geschichtlichen Aufbau des deutschen Südwestens. Straßburg 1942, S. 167–336.
  5. Niederfränkisch. In: Helmut Glück: Metzler Lexikon Sprache. Metzler, Stuttgart 2005, ISBN 3-476-02056-8, S. 419.
  6. Niederdeutsch und Niederländisch. In: Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. 9. Auflage. München 1992, ISBN 3-423-03025-9, S. 103.
  7. Vgl. Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte, in: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, hrsg. von Werner Besch u. a., 2. Hbd. Berlin–New York 1983 (HSK 1), besonders S. 828 f.; Ingrid Schröder: Niederdeutsch in der Gegenwart. Sprachgebiet – Grammatisches – Binnendifferenzierung, in: Niederdeutsche Sprache und Literatur der Gegenwart, hrsg. von Dieter Stellmacher, Hildesheim–Zürich–New York 2004 (GL 175–176), besonders S. 46–75; Wolfgang Lindow u. a.: Niederdeutsche Grammatik, Leer 1998 (Schriften des Instituts für Niederdeutsche Sprache. Reihe Dokumentation Nr. 20), S. 18.
  8. Der Dialekt bestimmt unsere Mobilität. In: dradio.de. Abgerufen am 30. März 2010 (Interview mit ifo-Mitarbeiter Oliver Falck).
  9. OstbelgienDirekt: Dialektatlas vorgestellt: Hat Platt in Ostbelgien noch Zukunft?, abgerufen am 10. April 2014
  10. Spiegel Online: Kölsch und Bairisch vom Aussterben bedroht, 10. Februar 2009 (abgerufen am 13. Juni 2010)
  11. Vgl. hierzu die Einleitung in: Christoph Landolt: Neuere Entwicklungen in der historischen Dialektlexikographie des Deutschen (PDF; 264 kB), in: Lexicographica 23 (2007) [= Neuere Entwicklungen in der Lexikographie des Deutschen, hrsg. von Peter O. Müller], S. 151–172.
  12. Sytaktischer Atlas der Deutschen Schweiz SADS.
  13. Syntax hessischer Dialekte SyHD.
  14. Rudolf Hotzenköcherle: Zur Methodik der Kleinraumatlanten (1962), erneut abgedruckt in Rudolf Hotzenköcherle: Dialektstrukturen im Wandel. Gesammelte Aufsätze zur Dialektologie der deutschen Schweiz und der Walsergebiete Oberitaliens, hrsg. von Robert Schläpfer und Rudolf Trüb, Aarau u. a. 1986 (RSL 2).
  15. Deutscher Sprachatlas
  16. „Phonologischer Wandel am Beispiel der alemannischen Dialekte Südwestdeutschlands im 20.Jahrhundert“ und „Auswirkungen der Staatsgrenze auf die Sprachsituation im Oberrheingebiet“.
  17. „Regionalsprache.de (REDE)“.
  18. „Atlas zur deutschen Alltagssprache“.
  19. Der deutsche Sprachraum aus der Sicht linguistischer Laien.
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