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Chinesische Sprachen

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Die chinesischen oder sinitischen Sprachen bilden einen der beiden Primärzweige der sinotibetischen Sprachfamilie, der andere Primärzweig sind die tibetobirmanischen Sprachen. Chinesische Sprachen werden heute von ca. 1,3 Milliarden Menschen gesprochen, von denen die meisten in der Volksrepublik China und der Republik China (Taiwan) leben. In vielen Ländern, vor allem in Südostasien, gibt es größere chinesischsprachige Minderheiten. Die chinesische Sprache mit der größten Anzahl an Sprechern ist das Hochchinesische, das auch als „Mandarin“ oder einfach als „chinesische Sprache“ oder „das Chinesische“ bzw. „Chinesisch“ bezeichnet wird.

Chinesische Sprachen

Gesprochen in

Volksrepublik China, Republik China (Taiwan), Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam, Philippinen, westliches Ausland
Sprecher 1,3 Milliarden Muttersprachler
(geschätzt)
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1:

zh

ISO 639-2: (B) chi (T) zho
ISO 639-3:

zho

Die verschiedenen Sprachen der Osthälfte Chinas in der räumlichen Verteilung

Mehrere chinesische Sprachen, eine chinesische Schrift

In der Regel bezeichnet der Begriff „chinesische Sprache“ die Standardsprache Hochchinesisch (Pǔtōnghuà in der Volksrepublik China, Guóyǔ auf Taiwan), die auf der größten chinesischen Dialektgruppe, dem Mandarin (Běifānghuà, Běifāng Fāngyán, Guānhuà), basiert und im Wesentlichen dem Dialekt von Peking entspricht. Daneben gibt es sieben weitere chinesische Sprachen oder Dialektbündel, die ihrerseits in viele Einzeldialekte zerfallen. Diese acht Einheiten des Chinesischen werden gemäß der traditionellen chinesischen Terminologie als Dialekte (chinesisch 方言 fāngyán) bezeichnet, obwohl der Grad ihrer Abweichungen untereinander nach westlichem Maßstab eine Klassifikation als Sprache rechtfertigen würde. Selbst innerhalb der großen Dialektgruppen ist die Verständigung von Sprechern unterschiedlicher Dialekte nicht immer möglich, insbesondere die nordchinesischen Dialekte (Mandarin) im Nordosten und die Dialekte im Süden sind untereinander nicht verständlich. Für die Verständigung über Dialektgrenzen hinaus wird überwiegend das von den meisten Chinesen gesprochene Hochchinesisch angewendet; regional begrenzter dienen auch andere Dialekte wie das Kantonesische als Verständigungsmittel.

Auch die chinesische Schrift fungiert in eingeschränktem Maß als dialektübergreifendes Verständigungsmittel, da etymologisch verwandte Morpheme trotz unterschiedlicher Aussprache im Allgemeinen in allen Dialekten mit dem gleichen chinesischen Schriftzeichen geschrieben werden. Das folgende Beispiel möge dies illustrieren. Im Altchinesischen war das gewöhnliche Wort für „essen“ *Ljɨk[1], das mit dem Zeichen 食 geschrieben wurde. Wörter wie shí (Hochchinesisch), sɪk˨˨ (Yue, kantonesischer Dialekt), st˥ (Hakka, Meixian-Dialekt), sit˦ (Südliches Min, Xiamen-Dialekt) stammen davon ab und werden daher ebenfalls 食 geschrieben. Somit dient die logographische chinesische Schrift – jedes Zeichen steht im Prinzip für ein Wort – als einigendes Band, das die Sprecher der sehr unterschiedlichen chinesischen Sprachvarianten zu einer großen kulturellen Gemeinschaft mit einer Jahrtausende alten schriftlichen Tradition verbindet. Bei einer Alphabetschrift oder einer anderen Lautschrift wäre diese einigende Funktion nicht vorhanden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die chinesischen Dialekte nur phonologisch unterscheiden. So wird für „essen“ im Hochchinesischen gewöhnlich nicht shí, sondern chī benutzt, das nicht von *Ljɨk stammt und daher mit einem eigenen Zeichen, 吃, geschrieben wird. Auch andere Varianten des Chinesischen verfügen, sofern sie geschrieben werden, für viele Wörter über eigene Zeichen, wie das Kantonesische 冇 mou˨˧ „nicht haben“. Daher, aber auch aufgrund grammatikalischer Abweichungen, sind auch geschriebene Texte dialektübergreifend nur eingeschränkt verständlich. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts übte aber die Verwendung des klassischen Chinesisch, dessen schriftliche Form dialektunabhängig war und in ganz China und auch Japan, Korea und Vietnam verwendet wurde, auf der Ebene der Schriftsprache eine einigende Funktion aus.

Chinesische Sprachen und ihre geographische Verbreitung

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der chinesischen Sprache ist schwer zu rekonstruieren, da die Sprachen der Nachbarn des antiken Chinas fast unbekannt sind und somit sich nicht entscheiden lässt, ob chinesische Sprachen außerhalb derjenigen chinesischen Staaten verbreitet waren, die Schriftzeugnisse hinterlassen haben; vor allem weite Teile Südchinas scheinen noch im 1. Jahrhundert n. Chr. außerhalb des chinesischen Sprachgebiets gelegen zu haben. Bereits in der Zeit der Zhou-Dynastie (11.–3. Jahrhundert v. Chr.) finden sich Hinweise auf eine dialektale Gliederung des Chinesischen, die sich in den folgenden Jahrhunderten wesentlich verstärkte. Heute werden meist acht chinesische Sprachen oder Dialektbündel unterschieden, die jeweils aus einer Vielzahl lokaler Einzeldialekte bestehen.

Die folgende Tabelle gibt die acht chinesischen Sprachen oder Dialektbündel mit ihren Sprecherzahlen und Hauptverbreitungsgebieten an. Die Sprecherzahlen stammen aus Ethnologue und anderen aktuellen Quellen. Eine detaillierte Auflistung lokaler Dialekte bietet der Artikel Liste der chinesischen Dialekte.

Sprache Altern.
Name
Sprecher Hauptverbreitungsgebiet
Mandarin Nordchinesische Dialekte 875 Mio China, Taiwan, Singapur
Wu 80 Mio China: Yangzi-Mündung, Shanghai
Kantonesisch Yue 70 Mio China: Guangxi, Wuzhou, Guangdong, Hongkong, Macao
Min 60 Mio China: Fujian, Hainan, Taiwan, Südostasien
Jinyu Jin 45 Mio China: Shanxi, Innere Mongolei; auch Hebei, Henan
Xiang Hunan 36 Mio China: Hunan
Hakka Kejia 33 Mio Süd-China, Taiwan
Gan Kan 21 Mio China: Jiangxi, Hubei; auch Hunan, Anhui, Fujian

Die nordchinesischen Dialekte (Mandarin, chinesisch 北方話 / 北方话 Běifānghuà, 北方方言 Běifāng Fāngyán, 官話 / 官话 Guānhuà) sind die bei Weitem größte Dialektgruppe; sie umfasst das gesamte chinesische Sprachgebiet nördlich des Yangzi und in den Provinzen Guizhou, Yunnan, Hunan und Guangxi auch Gebiete südlich des Yangzi. Der Dialekt Pekings, die Grundlage des Hochchinesischen, gehört zu den Mandarin-Dialekten. Das Wu wird von etwa 80 Millionen Sprechern südlich der Mündung des Yangzi gesprochen, der Dialekt von Shanghai nimmt hier eine wichtige Stellung ein. Südwestlich daran grenzt das Gan vor allem in der Provinz Jiangxi mit 21 Millionen Sprechern und westlich davon, in Hunan, das Xiang mit 36 Millionen Sprechern. An der Küste, in der Provinz Fujian, im Osten Guangdongs sowie auf Taiwan und Hainan sowie in Singapur werden die Min-Dialekte gesprochen, zu denen insgesamt etwa 60 Millionen Sprecher gehören. In Guangxi, Guangdong und Hongkong wird von etwa 70 Millionen Menschen das Yue gesprochen, dessen wichtigster Dialekt das Kantonesische mit den Zentren Guangzhou und Hongkong ist.

Die übliche Klassifikation ist in erster Linie phonologisch motiviert, als wichtigstes Kriterium gilt die Entwicklung ursprünglich stimmhafter Konsonanten. Doch es finden sich auch deutliche lexikalische Unterschiede. So gelten das Pronomen der dritten Person 他 (so die entsprechende hochchinesische Form), die Attributpartikel 的 de und die Negation 不 als typische Merkmale nördlicher Dialekte, besonders des Mandarin, teilweise aber auch von den Xiang-, Gan und Wu-Dialekten südlich des unteren Yangzi, die vom Mandarin beeinflusst sind. Typische Merkmale vor allem südlicher Dialekte sind dagegen die ausschließliche Verwendung von Negationen mit nasalem Anlaut (etwa kantonesisch 唔 m21), Kognata des altchinesischen 渠 (kantonesisch 佢 kʰɵy˩˧) oder 伊 (Shanghaiisch ɦi˩˧) als Pronomen der dritten Person sowie einige Wörter, die sich weder in nördlichen Dialekten noch im Alt- oder Mittelchinesischen finden, wie „Schabe“, Xiamen ka˥˥-tsuaʔ˥˥, Kantonesisch 曱甴 kaːt˧˧-tsaːt˧˧, Hakka tshat˦˦ und „vergiften“, Fuzhou thau1˧, Yue tou˧˧, Kejia theu˦˨[2].

Die folgende Gegenüberstellung etymologisch zusammengehöriger Wörter aus Vertretern der große Dialektgruppen verdeutlicht genetische Zusammengehörigkeit, aber auch den Grad der Diversität der chinesischen Sprachen:

Bedeutung Zeichen Altchinesisch[3] Mandarin Wu[4] Yue[5] Kejia[6] Min[7] Xiang[6] Gan[6]
Peking Shanghai Kantonesisch Meixian Xiamen Changsha Nanchang
essen *Ljɨk shí zəʔ˩˨ sek˨ st˥ sit˦/tsiaʔ˦
groß *lats du˨˧ da:i˨˨ tʰai˥˧ tai˨˨/tua˨˨ ta˥ tʰai˩
haben *wjɨʔ yǒu jɐu˨˧ iu˦ u˨˨ iəu˧˩/u˦˦ iu˨˧
sterben *sjijʔ ɕi˧˧ sɛ:i˧˥ si˧˩ su˥˧/si˥˧ sɿ˧˩ sɿ˨˧
weiß *brak bái bʌʔ˩˨ bɐk˨ pʰak˥ pik˦/peʔ˦ pə˨˦ pʰaʔ˨
wissen *trje zhī tsi:˥˥ tsai˦˦ tsɿ˧˨ ti˦˦/tsai˦˦
eins *ʔjit iɪʔ˥˥ jɐt˥ it˩ it˦/tsit˦ i˨˦ it˥
drei *sum sān sᴇ˥˧ sɐm˥˥ sam˦ sam˦˦/sã˦˦ san˧ san˧˨
fünf *ngaʔ ɦŋ˨˧ ŋ˨˧ ŋ˧˩ ŋɔ˥˧/gɔ˨˨ u˧˩ ŋ˨˩˧
Frau *nrjaʔ ȵy˨˨ noe:i˨˧ n˧˩ lu˥˧ ȵy˧˩ ȵy˨˩˧
Gast *khrak kʰʌʔ˥˥ hɐk˧ hak˩ kʰik˧˨/kʰeʔ˧˨ kʰ ə˨˦ kʰiɛt˥
Hand *hjuʔ shǒu sɣ˧˧ sa:u˧˥ su˧˩ siu˥˧/tsʰiu˥˧ ʂ əu˧˩ sɨu˨˩˧
Herz *sjɨm xīn ɕin˧˧ sɐm˥˥ sim˦ sim˦˦ sin˧ ɕ˧˨
Jahr *nin nián ȵi˨˨ ni:n˨˩ ŋian˩ lian˨˦/ni˨˦ ȵiɛn˧˥
König *wjang wáng wɔŋ˨˩ ɔŋ˨˦ uan˩˧ uɔŋ˦˥
Mensch *njin rén ȵin˨˨ jɐn˨˩ ŋip˥ lin˨˦/laŋ˨˦ ȥ ən˩˧ lɨn˧˥
Mitte *k-ljung zhōng tsoŋ˥˧ tsoŋ˥˥ tuŋ˥˧ tiɔŋ˦˦ tʂɔŋ˧ tsuŋ˧˨
Name *mrjang míng min˨˨ meŋ˨˩ mia˨˦ biŋ˧˥/mia˧˥
Ohr *njɨʔ ěr ȵei˨˨ ji:˨˧ ŋi˧˩ ni˥˧/hi˨˨ ə˧˩ e˨˩˧
Regen *w(r)jaʔ ɦy˨˨ jy:˨˧ i˧˩ u˥˧/hɔ˨˨ y˧˩ y˨˩˧
Sohn *tsjɨʔ tsɿ˧˧ tsi:˧˥ tsɿ˧˩ tsu˥˧/tsi˥˧ tsɿ˧˩ tsɿ˨˩˧
Sonne, Tag *njit ȵiɪʔ˥˥ jɐt˨ ŋit˩ lit˦ ȥʅ˨˦ lɨt˥
Süden *nɨm nán no˨˨ nɐm˨˩ nam˩ lam˨˦ lan˩˧ lan˧˥
Tor 門/门 *mɨn mén m ən˨˨ mu:n˨˩ mŋ˨˦ bən˩˧/məŋ˩˧ mɨn˧˥
Volk *mjin mín min˨˨ mɐn˨˩ min˩ bin˨˦

Zur Bezeichnung

Im Chinesischen selbst ist eine Reihe unterschiedlicher Begriffe für die chinesische Sprache gebräuchlich. Zhōngwén (中文) ist ein allgemeiner Begriff für die chinesische Sprache, der in erster Linie für die geschriebene Sprache verwendet wird. Da die geschriebene Sprache mehr oder weniger unabhängig vom Dialekt ist, umfasst dieser Begriff auch die meisten chinesischen Dialekte. Hànyǔ (漢語 / 汉语) wird dagegen vorrangig für die gesprochene Sprache verwendet, etwa im Satz „Ich spreche Chinesisch“. Da das Wort  /  hàn für die Han-Nationalität steht, umfasst der Begriff ursprünglich alle Dialekte, die von Han-Chinesen gesprochen werden. Umgangssprachlich bezeichnet Hànyǔ allerdings das Hochchinesische, für das es einen eigenen Fachbegriff, chinesisch 普通話 Pǔtōnghuà, gibt.

Beziehungen zu anderen Sprachen

Dieser Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über genetische Verwandtschaft des Chinesischen mit anderen Sprachen. Ausführlich wird dieses Thema im Artikel Sinotibetische Sprachen behandelt.

Genetische Verwandtschaft

Tibeto-Birmanisch

Das Chinesische wird heute allgemein als Primärzweig der sinotibetischen Sprachfamilie angesehen, die etwa 350 Sprachen mit 1,3 Mrd. Sprechern in China, dem Himalaya-Gebiet und Südostasien umfasst. Die meisten Klassifikationen des Sinotibetischen stellen das Chinesische dem Rest der tibetobirmanischen Sprachfamilie gegenüber, einige wenige Forscher betrachten das Sinitische als eine Untereinheit des Tibetobirmanischen, gleichrangig mit den vielen anderen Untergruppen dieser Einheit.

Das Chinesische hat zahllose Lexeme seines Grundwortschatzes mit anderen sinotibetischen Sprachen gemeinsam:[8]

Bedeutung Chinesisch Klassisches
Tibetisch
Birmanisch Lahu
Zeichen Hochchinesisch Altchinesisch[1]
„ich“/„wir“ *ngajʔ nga nga ngà
„drei“ sān *sum gsum sûm
„fünf“ *ngaʔ lnga ngâ ngâ
„sechs“ liù *Crjuk[9] drug khrok hɔ̀ʔ
„neun“ jiǔ *kuʔ dgu kûi qɔ̂
„Sonne/Tag“ *njit nyima ne
„Name“ míng *mjeng ming mañ
„bitter“ *khaʔ kha khâ qhâ
„kühl“ liáng *grjang grang krak gɔ̀
„sterben“ *sjijʔ shiba se ʃɨ
„vergiften“ *duk dug tauk tɔ̀ʔ

Außer dem gemeinsamen Basiswortschatz verbindet das Sinitische und Tibetobirmanische die ursprünglich gleiche Silbenstruktur (wie sie etwa im klassischen Tibetischen weitgehend erhalten ist und für das Altchinesische rekonstruiert werden kann) und eine weitverbreitete Derivationsmorphologie, die in gemeinsamen konsonantischen Präfixen und Suffixen mit bedeutungsändernder Funktion zum Ausdruck kommt. Eine relationale Morphologie (Veränderung der Nomina und Verben im Sinne einer Flexion) haben das Proto-Sinotibetische wie auch die modernen sinitischen Sprachen nicht ausgebildet, diese Form der Morphologie ist eine Innovation vieler tibetobirmanischer Sprachgruppen, die durch gebietsübergreifende Kontakte mit Nachbarsprachen und durch Überlagerung älterer Substratsprachen entstanden ist.

Andere Sprachen

Genetische Verwandtschaft des Chinesischen mit Sprachen außerhalb des Tibetobirmanischen wird von der Linguistik nicht allgemein anerkannt, es existieren jedoch einige Versuche, das Chinesische in weit über die traditionellen Sprachfamilien hinausgehende Makrofamilien einzuordnen. Einige Forscher vertreten beispielsweise eine genetische Verwandtschaft mit den austronesischen Sprachen, den jenisseischen Sprachen oder sogar den kaukasischen oder den indogermanischen Sprachen, wofür Wortgleichungen wie chinesisch 谁 shuí < *kwjəl „wer“ = lateinisch quis „wer“[10] herangezogen werden. Keiner dieser Versuche hat jedoch bisher die Zustimmung einer Mehrheit der Sprachwissenschaftler gewinnen können.

Lehnbeziehungen

Aufgrund der jahrtausendelangen Koexistenz mit anderen, genetisch nicht verwandten Sprachen haben sich das Chinesische und verschiedene südost- und ostasiatische Sprachen gegenseitig stark beeinflusst. So finden sich in ihnen Hunderte von chinesischen Lehnwörtern, oft Bezeichnungen chinesischer Kulturgüter:  /   ‚Buch‘ > Koreanisch čhäk, Bai tshua˧˧. Diese Einflüsse haben sich in besonders hohem Maße auf Korea, Vietnam und Japan ausgewirkt, wo zudem auch die chinesische Schrift Anwendung findet und das klassische Chinesisch über Jahrhunderte als Schriftsprache benutzt wurde.

Auch das Chinesische selbst weist eine große Anzahl fremder Einflüsse auf. So sind einige wesentliche typologische Züge des modernen Chinesisch vermutlich auf Fremdeinfluss zurückzuführen, darunter die Ausbildung eines Tonsystems, die Aufgabe ererbter morphologischer Bildungsmittel und die obligatorische Anwendung von Zählwörtern. Fremdeinfluss zeigt sich auch in der Aufnahme nicht weniger Lehnwörter. Schon in sehr früher Zeit muss das Wort   ‚Tiger‘ (altchinesisch *xlaʔ[11]) aus den austroasiatischen Sprachen entlehnt worden sein, vgl. Mon klaʔ, Mundari kula. Das Wort  gǒu ‚Hund‘, das während der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) das ältere  quǎn verdrängte, wurde wohl während der Zeit der Zhou-Dynastie (um 1100–249 v. Chr.) aus dem Miao-Yao entlehnt. Auch aus nördlichen Nachbarsprachen wurden in vorgeschichtlicher Zeit Wörter übernommen, so beispielsweise  /   ‚Kalb‘, das sich in altaischen Sprachen wiederfindet: Mongolisch tuɣul, Mandschurisch tukšan. Besonders groß wurde die Zahl von Lehnwörtern im Chinesischen während der Han-Dynastie, als auch aus westlichen und nordwestlichen Nachbarsprachen Wörter übernommen wurden, beispielsweise 葡萄 pútao ‚Weintrauben‘ aus einer iranischen Sprache, vgl. Persisch باده bāda. Schwer nachweisbar sind Entlehnungen aus der Sprache der Xiongnu; hier ist mutmaßlich 駱駝 / 骆驼 luòtuo ‚Kamel‘ einzuordnen. Durch den starken Einfluss des Buddhismus während des 1. nachchristlichen Jahrtausends drang eine Vielzahl indischer Lehnwörter ins Chinesische ein: 旃檀 zhāntán aus Sanskrit candana, 沙門 / 沙门 shāmén ‚buddhistischer Mönch‘ < Sanskrit śramaṇa. Nur wenige Lehnwörter hinterließ die mongolische Herrschaft der Yuan-Dynastie (1279–1368), beispielsweise 蘑菇 mógū ‚Pilz‘ < mongolisch moku.

Im 16. Jahrhundert setzte ein starker europäischer Einfluss ein, der sich auch im chinesischen Wortschatz niederschlug. So wurden in dieser Zeit christliche Termini ins Chinesische entlehnt: 彌撒 / 弥撒 Messe ‚mísa‘ < spätlateinisch missa. Seit dem 19. Jahrhundert wurden auch Bezeichnungen für Errungenschaften der europäischen Technik übernommen, wobei sich das Chinesische jedoch gegenüber Entlehnungen als wesentlich resistenter erwies als etwa das Japanische. Beispiele hierfür sind: 馬達 / 马达 mǎdá < englisch motor, 幽默 yōumò < englisch humour. In manchen Fällen fanden Lehnwörter über Dialekte den Weg ins Hochchinesische: 沙發 / 沙发 shāfā < Shanghaiisch safa < englisch sofa.

Eine besondere Erscheinung bildet eine Gruppe von Lehnwörtern insbesondere aus Japan, bei denen nicht die Aussprache, sondern die Schreibung entlehnt wird. Dies wird dadurch ermöglicht, dass das entlehnte Wort in der Ursprungssprache selbst mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben wird:

  • Japanisch 革命 kakumei > hochchinesisch 革命 gémìng ‚Revolution‘
  • Japanisch 場合 baai > hochchinesisch 場合 / 场合 chǎnghé ‚Sachlage, Umstände‘

Verschriftlichung und soziokultureller Status

Traditionelle Schrift

Hauptartikel: Chinesische Schrift

Das Chinesische wird seit den frühesten bekannten Schriftzeugnissen aus dem 2. vorchristlichen Jahrtausend mit der chinesischen Schrift geschrieben. In der chinesischen Schrift wird – von Ausnahmen abgesehen – jedes Morphem mit einem eigenen Zeichen wiedergegeben. Da die chinesischen Morpheme einsilbig sind, lässt sich so jedem Zeichen ein einsilbiger Lautwert zuordnen. Entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis werden synonyme, aber nicht homophone Wörter mit unterschiedlichen Zeichen geschrieben. So bedeuten sowohl chinesisch  quǎn als auch chinesisch  gǒu „Hund“, werden aber mit völlig anderen Zeichen geschrieben. Einige Zeichen gehen dabei auf piktographische Darstellungen des entsprechenden Wortes zurück, auch andere rein semantisch basierte Typen kommen vor. Etwa 85 % der heutigen Zeichen enthalten aber phonologische Information und sind aus zwei Komponenten zusammengesetzt, von denen eine die Bedeutung angibt und die andere ein Morphem mit ähnlicher Aussprache darstellt. So besteht das Zeichen chinesisch  /   ‚Mutter‘ aus chinesisch   ‚Frau‘ „Frau“ als Bedeutungs- und chinesisch  /   ‚Pferd‘ als Aussprachekomponente. In einigen Fällen stellt ein Zeichen mehrere Morpheme dar, insbesondere etymologisch verwandte. Die Zahl aller chinesischen Zeichen ist aufgrund des morphemischen Prinzips verhältnismäßig hoch; bereits das Shuowen Jiezi von 100 n. Chr. verzeichnet knapp 10.000 Zeichen; das Yitizi Zidian von 2004 enthält 106.230 Zeichen, von denen sehr viele aber nicht mehr in Gebrauch sind oder lediglich seltene Schreibvarianten anderer Zeichen darstellen. Die durchschnittliche Zahl der Zeichen, die ein Chinese mit Universitätsabschluss beherrscht, beträgt aber weniger als 5000; etwa 2000 gelten als für das Lesen einer hochchinesischen Zeitung erforderlich.

Die chinesische Schrift ist nicht einheitlich. Seit der Schriftreform vom Jahre 1958 werden in der Volksrepublik China (und später auch in Singapur) offiziell die vereinfachten Zeichen (Kurzzeichen, chinesisch 简体字 jiǎntǐzì) verwendet, in Taiwan und in Hongkong dagegen werden weiterhin die traditionellen Zeichen, (Langzeichen, chinesisch 正體字 zhèngtǐzì oder 繁体字 fántǐzì) benutzt. Auch auf die Verschriftlichung anderer Sprachen, die chinesische Schriftzeichen nutzen, wie des Japanischen wurde die chinesische Schriftreform nicht angewendet; in Japan wurden aber bereits 1946 unabhängig vereinfachte Zeichenformen eingeführt.

Neben der chinesischen Schrift waren in China auch einige andere Schriften in Gebrauch. Dazu zählt insbesondere die Nüshu, eine seit dem 15. Jahrhundert in der Provinz Hunan verwendete Frauenschrift. Unter der Yuan-Dynastie (1279–1368) wurde auch die phonetisch basierte Phagspa-Schrift für das Chinesische verwendet.

Transkriptionen

Siehe auch: Liste von Transkriptionssystemen für die chinesischen Sprachen

Neben der chinesischen Schrift gibt es zahlreiche auf dem lateinischen Alphabet basierende Transkriptionssysteme für Hochchinesisch und die einzelnen Dialekte beziehungsweise Sprachen. In der Volksrepublik China wird Hanyu Pinyin (kurz: Pinyin) als offizielle Romanisierung für das Hochchinesische verwendet; ein weiteres, besonders vor der Einführung von Pinyin sehr weit verbreitetes Transkriptionssystem ist das Wade-Giles-System. Für die verschiedenen Dialekte bzw. Sprachen existieren keine allgemein anerkannten Transkriptionssysteme, im Folgenden werden sie daher mit dem internationalen phonetischen Alphabet umschrieben. Frühere Formen des Chinesischen werden üblicherweise wie das Hochchinesische, folglich in Pinyin transkribiert, obwohl dies die Phonologie früherer Formen des Chinesischen nicht adäquat wiedergeben kann.

Muslimische Chinesen (vergleiche Religion in der Volksrepublik China) haben ihre Sprache auch in der arabisch-basierten Schrift Xiao'erjing geschrieben. Einige, die nach Zentralasien auswanderten, sind im 20. Jahrhundert zur kyrillischen Schrift übergegangen, siehe Dunganische Sprache.

Soziokultureller und offizieller Status

Ursprünglich unterschieden sich die gesprochene und die geschriebene Sprache in China nicht wesentlich voneinander; die schriftliche Sprache folgte den Entwicklungen der gesprochenen Sprache. Seit der Qin-Dynastie (221–207 v. Chr.) wurden jedoch Texte aus der Spätzeit der Zhou-Dynastie für die geschriebene Sprache maßgeblich, sodass das klassische Chinesisch als Schriftsprache von der gesprochenen Sprache unabhängig wurde und in geschriebener Form allgemeines Verständigungsmedium über Dialektgrenzen hinaus bildete. Das klassische Chinesisch diente jedoch ausschließlich als geschriebene Sprache einer kleinen Elite, als gesprochene Sprache wurde spätestens seit der Qing-Dynastie (1644–1911) selbst von den hochgestellten Beamten der Dialekt der Hauptstadt benutzt. Beim Lesen von Texten in klassischem Chinesisch wurde der jeweilige lokale Dialekt angewendet, einige Dialekte besaßen dafür eigene phonologische Subsysteme, die sich von der gesprochenen Sprache unterschieden.

Vor allem im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Buddhismus in China wurde volkstümliche Literatur zunehmend in der Volkssprache (chinesisch 白话 báihuà) abgefasst, die bei der schriftlichen Anwendung innerhalb Chinas bis zu einem gewissen Grad normiert war und sich mit wenigen Ausnahmen, wie dem im südlichen Min geschriebenen Lijingji aus dem 16. Jahrhundert, an frühen Formen der Mandarin-Dialekte orientierte. Möglicherweise kam es auch in der gesprochenen Sprache des 1. nachchristlichen Jahrtausends zu einer Standardisierung.[12]

Erst gegen Ende des chinesischen Kaiserreiches, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, schwand die Bedeutung des klassischen Chinesisch; als Amtssprache und als literarische Sprache wurde es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vom Hochchinesischen abgelöst, das sich in Grammatik, Lexikon und insbesondere der Phonologie stark an den modernen Dialekt von Peking anlehnt. Auch für andere Dialektformen des Chinesischen wurden Verschriftlichungsversuche gemacht, jedoch verfügt nur das Kantonesische über eine etablierte Literatur in chinesischer Schrift. In einigen Dialekten wurde auch eine Verschriftlichung mittels lateinischer Schrift versucht.

Auch außerhalb der geschriebenen Sprache verdrängt das Hochchinesische zunehmend lokale Idiome, da das Hochchinesische landesweit an den Schulen gelehrt wird, wenngleich es die Dialekte als Umgangssprachen wohl nur stellenweise ersetzt.

Homophonie und Homonymie

Da die chinesische Schrift über 10.000 verschiedene Logogramme umfasst, das gesprochene Hochchinesisch aber weniger als 1.700 verschiedene Sprechsilben, hat das Chinesische wesentlich mehr homophone Morpheme, also unterschiedliche Bedeutung tragende Wortbestandteile mit gleicher Aussprache, als irgendeine europäische Sprache. Daher entsprechen weder gesprochene Sprache noch lateinische Umschriften exakt den in chinesischen Zeichen geschriebenen Texten. Vereinfachte Umschriften, die die Töne nicht markieren, lassen die Homophonie noch ausgeprägter erscheinen, als sie tatsächlich ist.

Zudem gibt es im Chinesischen auch Homonyme, also unterschiedliche Begriffe, die mit demselben Wort bezeichnet werden. Trotz der sehr vielen verschiedenen Logogramme existieren auch einige Homographen, das heißt Wörter, die mit denselben Zeichen geschrieben werden. Obwohl die meisten chinesischen Homographen gleich ausgesprochen werden, gibt es auch einige mit unterschiedlicher Aussprache.

Periodisierung

Das Chinesische ist eine der wenigen noch gesprochenen Sprachen mit einer mehr als dreitausendjährigen schriftlichen Tradition. Die Sprachentwicklung lässt sich unter syntaktischen und phonologischen Gesichtspunkten in mehrere Phasen unterteilen.

Die älteste durch schriftliche Überlieferung fassbare Form des Chinesischen ist die Sprache der Orakelknocheninschriften aus der Spätzeit der Shang-Dynastie (16.–11. Jahrhundert v. Chr.). Sie bilden den Vorläufer der Sprache der Zhou-Dynastie (11.–3. Jahrhundert v. Chr.), die als Altchinesisch (上古汉语 Shànggǔ Hànyǔ) bezeichnet wird und deren Spätform als Klassisches Chinesisch bis in die Neuzeit als Schriftsprache konserviert wurde. Nach der Zhou-Dynastie entfernte sich die gesprochene Sprache allmählich vom klassischen Chinesisch; erste grammatische Innovationen finden sich schon im 2. Jahrhundert v. Chr. Sie kennzeichnen das Mittelchinesische (中古汉语 Zhōnggǔ Hànyǔ), das vor allem die Sprache der volkstümlichen Literatur beeinflusste. Die Zeit seit dem 15. Jahrhundert umfasst das moderne und das zeitgenössische Chinesisch (近代汉语 Jìndài Hànyǔ, 现代汉语 Xiàndài Hànyǔ), das als Oberbegriff für die modernen chinesischen Sprachen dient.

Typologie

In typologischer Hinsicht zeigt das moderne Chinesisch relativ wenige Übereinstimmungen mit den genetisch verwandten tibeto-birmanischen Sprachen, während sich wesentlich mehr Übereinstimmungen mit den über Jahrhunderte direkt benachbarten südostasiatischen Sprachen zeigen. Insbesondere ist das moderne Chinesische sehr stark isolierend und zeigt nur wenig Flexion; die syntaktischen Zusammenhänge werden demzufolge überwiegend durch die Satzstellung und freie Partikeln ausgedrückt. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass auch das moderne Chinesisch morphologische Prozesse zur Wort- und Formenbildung kennt.

Phonologie

Segmente

Das Phoneminventar der verschiedenen chinesischen Sprachen weist eine große Diversität auf; einige Merkmale haben sich jedoch weit verbreitet; beispielsweise das Vorhandensein aspirierter Plosive und Affrikaten sowie in einem großen Teil der Dialekte der Verlust der stimmhaften Konsonanten. Die Min-Dialekte im Süden Chinas sind aus historischer Sicht sehr untypisch, da sie sehr konservativ sind, aus typologischer Sicht jedoch geben sie einen guten Querschnitt durch das Konsonanteninventar des Chinesischen, weshalb im Folgenden das Konsonantensystem des Min-Dialektes von Fuzhou dargestellt ist:[13]

bilabial alveolar palatal velar glottal
stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp.
Plosive p t k ʔ
Frikative s h
Affrikaten ts tsʰ
Nasale m n ŋ
Approximanten und Laterale w l j

Diese Konsonanten finden sich in nahezu allen modernen chinesischen Sprachen; die meisten haben verschiedene zusätzliche Phoneme. So gibt es beispielsweise im Yue Labiovelare, in einigen Dialekten einen palatalen Nasal (ɲ) und im Mandarin und Wu palatale Frikative und Affrikaten. Das Hochchinesische hat folgende Konsonantenphoneme (in Klammern die Pinyin-Umschrift):

bilabial labio-
dental
dental/
alveolar
retroflex palatal velar
stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp. stl. sth. asp.
Plosive p (b) (p) t (d) (t) k (g) (k)
Affrikate ts (z) tsʰ (c) (zh) tʂʰ (ch) (j) tɕʰ (q)
Nasale m n ŋ (ng)
Frikative f s ʂ (sh) ɕ (x) x (h)
Approximanten w ɹ̺ (r) j (y)
Lateral l

Silbenbau

Traditionell wird die chinesische Silbe in einen konsonantischen Anlaut (chinesisch 声母 shēngmǔ) und einen Auslaut (chinesisch 韵母 yùnmǔ) aufgeteilt. Der Auslaut besteht aus einem Vokal, bei dem es sich auch um einen Di- oder Triphthong handeln kann, sowie einem optionalen Endkonsonanten (chinesisch 韵尾 yùnwěi). So lässt sich die Silbe xiang in den Anlaut x und den Auslaut iang zerlegen, dieser wiederum wird in den Diphthong ia und den Endkonsonanten ng analysiert. Der Anlaut besteht in allen modernen chinesischen Sprachen immer – abgesehen von Affrikaten – aus einem einzelnen Konsonanten (oder ∅); es wird jedoch davon ausgegangen, dass das Altchinesische auch Konsonantencluster im Anlaut besaß. Im Auslaut lassen die modernen chinesischen Sprachen nur wenige Konsonanten zu; im Hochchinesischen beispielsweise nur n und ŋ; auch hier war jedoch die Freiheit im Altchinesischen vermutlich wesentlich größer. Aufgrund dieser stark eingeschränkten Möglichkeiten zur Silbenbildung ist die Homonymie im modernen Chinesisch sehr stark ausgeprägt.

Tonalität

Das wohl offensichtlichste Merkmal der chinesischen Phonologie ist, dass die chinesischen Sprachen – wie viele genetisch nicht verwandte Nachbarsprachen – Tonsprachen sind. Die Anzahl der Töne, meist handelt es sich um Konturtöne, variiert in den verschiedenen Sprachen untereinander sehr stark.[14] Um 800 n. Chr. besaß das Chinesische acht Töne, wobei jedoch nur drei Oppositionen tatsächlich phonemische Bedeutung hatten. In den verschiedenen modernen chinesischen Sprachen hat sich das antike Tonsystem stark verändert, das Hochchinesische etwa zeigt nur noch vier Töne, die aber alle phonemisch sind, wie die folgenden Beispiele zeigen (vergleiche den Artikel Töne des Hochchinesischen):

1. Ton 2. Ton 3. Ton 4. Ton
gleich bleibend hoch steigend tief fallend – steigend scharf abfallend
  ‚Mutter‘   ‚Hanf‘   ‚Pferd‘   ‚schimpfen‘

4 Toene des Hochchinesischen.svg

Der kantonesische Dialekt des Yue dagegen hat das antike System besser bewahrt und besitzt neun Töne, die in bestimmte Kategorien eingeteilt werden: 9 Toene des Kantonesischen.svg

Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das chinesische Tonsystem hauptsächlich unter dem Einfluss von erodierten Konsonanten am Silbenende entstanden ist; das Altchinesische war demzufolge nach der Meinung der Mehrzahl der Forscher noch keine Tonsprache.

Morphologie

Wortbildung

Grundlage der chinesischen Morphologie ist das einsilbige Morphem, dem in der geschriebenen Form der Sprache ein Zeichen entspricht. Beispiele sind im Hochchinesischen die selbstständigen Lexeme 大 dà „groß sein“, 人 rén „Mensch“, 去 qù „gehen“ und Affixe wie das Pluralsuffix 们 -men. Ausnahmen sind Gruppen zweier aufeinanderfolgender Morpheme, die eine einzelne Silbe bilden. In einigen Fällen ist dies auf phonologische Veränderungen beim Zusammentreffen zweier Morpheme (sogenanntes Sandhi) zurückzuführen, wie in Hochchinesisch 那儿 nà-ér > nàr „dort“, klassisches Chinesisch 也乎 yě-hū > 與 yú, Kantonesisch 嘅呀 kɛː˧˧ aː˧˧ > 嘎 kaː˥˥. Da die Affixe der altchinesischen Wortbildungsmorphologie keine eigene Silbe bildeten, gehören auch die unten besprochenen Derivate zu diesen Ausnahmen. Ob das Altchinesische auch mehrsilbige Morpheme besaß, die nur mit einem Zeichen geschrieben wurden, lässt sich bislang nicht klären.

Im Altchinesischen entsprachen die Morphemgrenzen in der bei weitem überwiegenden Mehrzahl der Fälle den Wortgrenzen. Seit der Zeit der Han-Dynastie wurden durch Zusammensetzung einsilbiger Wörter neue, zweisilbige und bimorphemische Lexeme gebildet. Viele solcher Zusammensetzungen weisen syntaktische Strukturen auf, die sich ebenso in Phrasen und Sätzen finden, weshalb die Trennung von Syntax und Morphologie problematisch ist. So sind viele Substantive wie Nominalphrasen mit einem Attribut und folgendem Kern gebildet: 德国人 déguórén Deutschland – Mensch = „Deutscher“, 记者 jìzhě „Journalist“, wörtlich „derjenige, der aufzeichnet“. Ebenso können Verben durch eine Kombination eines Verbs mit einem Objekt gebildet werden: 吃饭 chīfàn „eine Mahlzeit einnehmen“ aus 吃 chī „essen“ und 饭 fàn „Mahlzeit“. Andere Zusammensetzungen sind schwieriger zu analysieren, beispielsweise 朋友 péngyou „Freund“ aus 朋 péng „Freund“ und dem synonymen 友 yǒu.

Ein weiteres Bildungsmittel zur Wortderivation des alten wie des modernen Chinesisch stellen Affixe dar. Das Altchinesische verfügte über eine Vielzahl an Prä-, In- und Suffixen, die jedoch vielfach nur schwer nachzuweisen sind, da sie in der Schrift keine oder nur unzureichende Spuren hinterlassen. Besonders häufig findet sich ein Suffix *-s,[1] mit dem sowohl Substantive als auch Verben gebildet werden konnten (知 zhī (*trje) „wissen“ > 知/智 zhì (*trjes) „Weisheit“; 王 wáng (*wjang) „König“ > 王 wàng (*wjangs) „herrschen“). Auch verschiedene In- und Präfixe lassen sich rekonstruieren.

Auch das moderne Chinesisch verfügt über einige Suffixe zur Derivation (Beispiele aus dem Hochchinesischen):

  • Das Pluralsuffix–men vorrangig in der Bildung von Personalpronomina: 我们 wǒmen „wir“, 你们 nǐmen „ihr“, 他们 tāmen „sie“
  • Nominalsuffixe:
    • -子 -zi in 孩子 háizi „Kind“, 桌子 zhuōzi „Tisch“
    • -头 -tou in 石头 shítou „Stein“, 指头 zhǐtou „Finger“
    • 家 -jia in 科学家 kēxuéjiā „Wissenschaftler“

In verschiedenen chinesischen Dialekten finden sich auch Präfixe, wie das im Hakka vertretene Präfix ʔa˧˧- zur Bildung von Verwandtschaftsbezeichnungen: ʔa˧˧ kɔ˧˧ „älterer Bruder“ = Hochchinesische 哥哥 gēge. Derivation oder Flexion durch Tonwechsel spielt im modernen Chinesisch eine eher geringe Rolle, beispielsweise bei der Bildung des perfektiven Aspekts im Kantonesischen: 食 sek˧˥ „aß, hat gegessen“ zu 食 sek˨˨ „essen“[15].

Pronomina

Die Personalpronomina haben in verschiedenen Formen des Chinesischen die folgenden Formen:

Historische Sprachen Moderne Sprachen
Shang- und frühe Zhou-Zeit
(ca. 1400–800 v. Chr.)[16][17]
Klassisches Chinesisch
(ca. 500–300 v. Chr.)[17][18]
Nanbeichao-Zeit und Tang-Dynastie
(ca. 400–900 n. Chr.)
Hochchinesisch Shanghaiisch Moiyen-Hakka[19] Kantonesisch
Singular 1. 余 *la (yú), 予 *laʔ (yú), 朕 *lrəmʔ (zhèn) 我 *ŋˤajʔ (wǒ), 吾 *ŋˤa (wú), 余 *la (yú), 予 *laʔ (yú) 我 wǒ, 吾 wú 我 wǒ 吾 ŋu˩˧ ŋai̯˩˩ 我 ŋɔː˩˧
2. 汝/女 *naʔ (rǔ), 乃 *nˤəʔ (nǎi) 爾 *neʔ (ěr), 汝/女 *naʔ (rǔ), 而 *nə (ér), 若 *nak (ruò) 爾 ěr, 汝/女 rǔ, 你 nǐ 你 nǐ 侬 noŋ˩˧ ŋ˩˩ 你 nei˩˧
3. 厥 *kot (jué), 之 *tə (zhī), 其 *gə (qí) (?) 之 *tə (zhī), 其 *gə (qí) 其 qí, 渠 qú; 伊 yī, 之 zhī, 他 tā 他, 她, 它 tā 伊 ɦi˩˧ ki˩˩ 佢 kʰɵy˩˧
Plural 1. 我 *ŋˤajʔ (wǒ) wie Singular Singular +
děng, 曹 cáo, 輩 bèi
我们 wǒmen 阿拉 ɐʔ˧˧ lɐʔ˦˦ ŋai̯˩˩ tɛʊ˧˧ ŋin˩˩ 我哋 ŋɔː˩˧ tei˨˨
2. 爾 *neʔ (ěr) 你们 nǐmen 亻那 na˩˧ ŋ˩˩ tɛʊ˧˧ ŋin˩˩ 你哋 nei˩˧ tei˨˨
3. (nicht belegt) 他们, 她们, 它们 tāmen 伊拉 ɦi˩˩ lɐʔ˧˧ ki˩˩ tɛʊ˧˧ ŋin˩˩ 佢哋 kʰɵy˩˧ tei˨˨

Das frühe Altchinesisch unterschied bei den Personalpronomina die Numeri Singular und Plural sowie verschiedene syntaktische Funktionen; so diente in der 3. Person um 900 v. Chr. 厥 *kot (jué) als Attribut, 之 *tə (zhī) als Objekt, und möglicherweise *gə (qí) als Subjekt. Im Klassischen Chinesisch wurde die Unterscheidung der Numeri aufgegeben, seit der Han-Zeit verschwand auch die syntaktische Unterscheidung. Dafür entwickelten sich seit der Tang-Dynastie neue Plurale, die nun durch Affixe wie 等 děng, 曹 cáo, 輩 bèi gebildet wurden. Dieses System ist in seinen Grundzügen bislang unverändert geblieben und findet sich in den modernen chinesischen Sprachen wieder.

Syntax

Allgemeines

Da die chinesischen Sprachen in großem Maße isolierend sind, werden Beziehungen der Wörter untereinander vorrangig durch die vergleichsweise feste Satzstellung zum Ausdruck gebracht. Kongruenz ist nicht vorhanden; von den Personalpronomina des Alt- und Mittelchinesischen abgesehen werden auch keine Kasus markiert. In allen historischen und modernen Formen des Chinesischen ist die Stellung Subjekt – Verb – Objekt (SVO) vorherrschend, nur dass bei Subjekten Pro-Drop auftritt:

Shang-Dynastie (14.-11. Jahrhundert v. Chr.)[20]
zuò
ich (Nom./Akk.) (Modalpartikel) bauen Siedlung
Subjekt Adverbiale Prädikat Objekt
„ich werde eine Siedlung bauen“
Hochchinesisch
弟弟 明天 北京
dìdi míngtiān Běijīng
er(sein) jüngerer Bruder morgen gehen(nach) Peking
Subjekt Adverbiale Prädikat
„Sein jüngerer Bruder geht morgen nach Peking.“

In bestimmten Fällen wie Topikalisierung und in negierten Sätzen kann das Objekt auch präverbal stehen. Die Satzstellung SOV findet sich in verschiedenen Formen des chinesischen vor allem in negierten Sätzen. So standen im Altchinesischen pronominale Objekte oft vor negierten Verben:

klassisches Chinesisch
wèi zhī shí
nicht es essen
Adverbiale Objekt Prädikat
„(Er) aß es nicht.“

Die Satzstellung SOV ist seit etwa dem 6. Jahrhundert auch in anderen Kontexten möglich, wenn das Objekt mit einer Partikel ( ,  jiāng und andere) eingeleitet wird:

Hochchinesisch
 /   /  張三/张三
shū gěi Zhāngsān
er (bǎ) Buch geben Zhangsan
„er gibt Zhangsan das Buch“

In den meisten historischen und den nördlichen modernen Varianten des Chinesischen steht das indirekte Objekt vor dem direkten; in einigen heutigen südlichen Sprachen steht hingegen das direkte voran:

Hochchinesisch  /   / 
gěi qián
ich geben du Geld
Kantonesisch[21]  /   / 
ŋɔː˨˧ pei˧˥ tshiːn˧˥ lei˨˧
ich geben Geld du
„ich gebe dir Geld“

Eine wichtige Rolle in der chinesischen Syntax nimmt das Phänomen der Topikalisierung ein, bei der eine pragmatisch hervorgehobene Nominalphrase aus ihrer kanonischen Position an den Satzanfang gestellt wird. Im Altchinesischen wurden bei der Extraktion von Objekten und Attributen Resumptiva verwendet; im modernen Chinesisch sind diese nicht mehr vorhanden. Typisch für das moderne Chinesisch sind auch Topics, die hinter dem Subjekt stehen sowie solche, die keinen direkten syntaktischen Bezug zum folgenden Satz haben:

Altchinesisch (7. Jahrhundert v. Chr.)[22]
戎狄
róng dí shì yīng
Rong und Di dies (resumptiv) widerstehen
„die Rong- und Di-Barbaren, er leistete ihnen Widerstand“
Hochchinesisch
mit extrahiertem Objekt 中饭 還沒 / 还沒
zhōngfàn hái méi chī
Mittagessen sie noch nicht essen
„sie hat noch nicht zu Mittag gegessen“
Topic hinter Subjekt 中饭
zhōngfàn chī le
sie Mittagessen essen (Aspektpartikel)
„sie hat zu Mittag gegessen“
ohne syntaktischen Bezug 张三  / 
zhāngsān tóu téng
Zhangsan Kopf schmerzen
„Zhangsan, (sein) Kopf schmerzt“

Interrogativa stehen im Chinesischen in situ. Markierung von Fragen mit Interrogativa durch finale Fragepartikeln ist in einigen antiken und modernen Varianten des Chinesischen möglich:

Mittelchinesisch (5. Jahrhundert n. Chr.)[23]
rén cóng shēng
Mensch von was entsteht
Subjekt präpositionales
Adjunkt
Prädikat
„Woher stammt der Mensch?“
Hochchinesisch
哪儿
nǎr a
du gehen wo (Fragepartikel)
„Wohin gehst du?“

Ja-nein-Fragen werden meist mit finalen Partikeln markiert; seit dem 1. Jahrtausend n. Chr. finden sich auch Fragen der Form „A – nicht – A“:

Hochchinesisch
mit Partikel  / 
máng ma?
du beschäftigt.sein (Fragepartikel)
„A – nicht – A“
máng máng?
du beschäftigt.sein nicht beschäftigt.sein
„bist du beschäftigt?“

Aspekt, Tempus, Aktionsart und Diathese

Aspekt, Tempus und Aktionsart können unmarkiert bleiben oder durch Partikeln oder Suffixe, manchmal auch durch Hilfsverben, zum Ausdruck gebracht werden. Im frühen Altchinesisch waren diese Morpheme ausschließlich präverbal; im späteren Altchinesisch waren die wichtigsten Aspektpartikeln dagegen das vermutlich stativisch-durativische yě und das perfektivische yǐ, die am Satzende standen:

Shang-Dynastie (14.-11. Jahrhundert v. Chr.)
(Modalpartikel) regnen
„es wird (vielleicht) regnen“
Klassisches Chinesisch[24]
xìng shàn shàn
die menschliche Natur nicht gut sein nicht nicht gut sein Aspektpartikel
„Die menschliche Natur ist weder gut noch nicht gut.“

Seit dem Ende des 1. Jahrtausends n. Chr. sind auch Aspektpartikeln belegt, die zwischen Verb und Objekt stehen; diese Stellung ist in allen modernen chinesischen Sprachen weit verbreitet. Auch am Satzende und, vor allem im Min, vor dem Verb können weiterhin bestimmte Aspektpartikeln stehen. Die folgende Tabelle illustriert die Konstruktionen, die das Hochchinesische besitzt, um Aktionsarten auszudrücken:

Morphem Aktionsart Beispielsatz Transkription Übersetzung
le perfektiv-resultativ 我當了兵。 wǒ dāng le bīng „ich bin Soldat geworden (und bin es noch)“
guo „Erfahrungs“-perfektiv 我當过兵。 wǒ dāng guo bīng „ich war (schon) einmal Soldat“
zhèngzài/zài dynamisch-imperfektiv
(progressiv)
我正在掛畫。 wǒ zhèng zài guà huà „ich hänge gerade Bilder auf“
zhe statisch-imperfektiv
(durativ)
牆上掛著一幅畫。 qiáng shàng guà zhe yī fú huà „ein Bild hing an der Wand“

Wenngleich alle chinesischen Sprachen äußerlich ähnliche Systeme besitzen, weisen die benutzten Morpheme große Divergenzen auf. Das Hakka etwa benutzt die präverbalen Aspektpartikeln ∅ (Imperfektiv), ʔɛ˧˨ (Perfektiv), tɛn˧˨ (Kontinuativ), kuɔ˦˥ („Erfahrungs-Perfektiv“).[19]

Während das Aktiv im Chinesischen unmarkiert ist, stehen zur Markierung des Passivs unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Im Altchinesischen blieb es ursprünglich ebenfalls unmarkiert und konnte nur indirekt durch Angabe des Agens in einer Präpositionalphrase angedeutet werden. Seit dem Ende der Zeit der Zhou-Dynastie bildeten sich Konstruktionen mit verschiedenen Hilfsverben wie 見 jiàn 為 wéi, 被 bèi, 叫 jiào und 讓/让 ràng, die das unmarkierte Passiv aber nicht verdrängten.

Verbserialisierung

Ein wichtiges und produktives Merkmal der Syntax der jüngeren chinesischen Sprachen ist die Verbserialisierung, die seit dem frühen 1. Jahrtausend n. Chr. belegt ist. In diesen Strukturen folgen zwei Verbalphrasen, die in einer bestimmten semantischen Relation stehen, ohne formale Trennung aufeinander. In vielen Fällen ist das Verhältnis der beiden Verbalphrasen resultativ, die zweite gibt also das Ergebnis der ersten an:

Mittelchinesisch (5. Jahrhundert n. Chr.)
nǎi zhī
dann schlagen sterben ihn
„dann schlugen sie ihn zu Tode“
Hochchinesisch
chī wán le
er essen fertig.sein (Aspektpartikel)
„er hat zu Ende gegessen“

Ebenfalls häufig sind serialisierte Verben, bei denen das zweite Verb die Richtung der Handlung ausdrückt:

Mittelchinesisch (7. Jahrhundert n. Chr.)
fēi lái fēi chū
fliegen kommen fliegen gehen
„sie fliegen herbei, sie fliegen davon“

Eine ähnliche Konstruktion liegt bei den sogenannten Koverben vor. Hierbei handelt es sich um transitive Verben, die nicht nur als selbstständige Verben auftreten können, sondern auch die Funktion von Präpositionen übernehmen können und andere Verben modifizieren:

Hochchinesisch
als freies Verb
ich vertreten du
„ich vertrete dich“
als Koverb
ich vertreten du gehen
„ich gehe an deiner Stelle“

Eine besondere Rolle nehmen verschiedene Serialverbkonstruktionen mit dem Morphem  de oder dessen Entsprechungen in anderen Sprachen ein. In einer Konstruktion, die als Komplement des Grades bekannt ist, markiert de ein Adjektiv, das ein Verb modifiziert. Hat das Verb ein Objekt, wird das Verb hinter dem Objekt wiederholt, oder das Objekt wird topikalisiert:

Hochchinesisch: transitiv, mit wiederholtem Verb  /  漢語 / 汉语  / 
shuō hànyǔ shuō de hěn hǎo
sie sprechen Chinesisch sprechen de sehr gut.sein
„sie spricht sehr gut Chinesisch“
Hochchinesisch: transitiv, mit topikalisiertem Objekt 漢語 / 汉语  / 
hànyǔ shuō de hěn hǎo
sie Chinesisch sprechen de sehr gut.sein
„sie spricht sehr gut Chinesisch“
Kantonesisch (Yue): intransitiv[21]  / 
kʰɵy˨˧ hɔk˨˨ dɐk˧˧ hou˧˥ faːi˧˧
er lernen de sehr schnell
„er lernt sehr schnell“

In manchen Dialekten wie dem Kantonesischen kann das Objekt auch hinter de gestellt werden.

Außerdem können  de und die Negation   oder deren dialektale Entsprechungen die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit markieren. Der Partikel folgt dabei ein Verb, das Resultat oder Richtung der Handlung angibt:

Hochchinesisch
 /   /  /
zhè jiàn shì bàn de / bù liǎo
dies (Zählwort) Sache er erledigen de/bù fertig.sein,
„diese Sache kann er (nicht) erledigen“

Nominalphrasen

Attribute

Im Chinesischen steht der Kopf einer Nominalphrase stets am Ende, Pronomina, Numeralia und Attribute stehen vor ihm und können von diesem durch eine Partikel getrennt werden. Diese Partikel hat in verschiedenen Dialekten unterschiedliche Formen; im Altchinesischen lautet sie beispielsweise 之 zhī, im Hochchinesischen 的 de. Bei dem Attribut kann es sich um eine eigene Nominalphrase handeln: klassisches Chinesisch 誰國 shuí zhī guó „wessen Land?“, modernes Chinesisch 这儿人 zhèr de rén „hier – Attributpartikel – Menschen“ = „die Leute hier“, Moiyen (Hakka) ŋaɪ̯˩˩-ɪ̯ɛ˥˥ su˧˧ „mein Buch“.[19] Ist diese durch ein Attribut erweitert, können auch komplizierte Ketten von Attributen entstehen, die als für das Chinesische typisch gelten können. Häufig handelt es sich bei dem Attribut aber nicht um ein Substantiv, sondern um ein nominalisiertes Verb, optional auch mit Ergänzungen wie Subjekt, Objekt und adverbialen Bestimmungen. Derartige Attribute erfüllen ähnliche semantische Funktionen wie Relativsätze europäischer Sprachen. Im folgenden Beispiel aus dem Hochchinesischen ist der Kern der Nominalphrase koreferent mit dem Subjekt des nominalisierten Verbs:

mǎi shū de rén
kaufen Buch Attributpartikel Menschen
„Menschen, die Bücher kaufen“

Der Kopf der Nominalphrase kann aber auch mit anderen Ergänzungen des nominalisierten Verbs, wie seinem Objekt, koreferent sein. In den meisten Dialekten ist dies nicht formal markiert, teilweise finden sich aber Resumptiva:

Hakka[19]
kʰiu˦˨-ŋiæn˩˨-ŋi˩˨ mai˦˦ ɪɛ˦˨ su˧˧
letztes Jahr kaufen Attributpartikel Buch
„das Buch, das (ich) letztes Jahr gekauft habe“
Kantonesisch[21]
 /  佢哋 食飯 / 食饭  /  朋友
ŋɔː˩˧ tshɛːŋ˧˥ kʰɵy1˧tei˨˨ sɪk˨˨-faːn˧˧ kɛː˧˧ pʰɐŋ˥˧yɐu˧˥
ich einladen sie (resumptiv) essen (Attributpartikel) Freunde
„Freunde, die ich zum Essen einlade“

Das Altchinesische konnte in Fällen, wo der Kopf nicht mit dem Subjekt des Verbs koreferent ist, die Morpheme 攸 yōu (präklassisch), 所 suǒ (klassisch) einsetzen: 攸馘 „was abgeschnitten wurde“.[25]

Zählwörter

Ein wesentliches typologisches Merkmal, welches das moderne Chinesische mit anderen südostasiatischen Sprachen teilt, ist die Anwendung von Zählwörtern. Während im Altchinesischen Zahlen und Demonstrativpronomina direkt vor Substantiven stehen können (五人 wǔ rén „fünf Menschen“; 此人 cǐ rén „dieser Mensch“), muss in den modernen chinesischen Sprachen zwischen beiden Wörtern ein Zählwort stehen, dessen Wahl vom Substantiv abhängt: Hochchinesisch 五书 wǔ běn shū „fünf Bücher“, 这人 zhè ge rén „dieser Mensch“. In den Yue- und Xiang-Dialekten werden Zählwörter auch zur Determination eines Substantives sowie zur Markierung eines Attributs benutzt:[21] Kantonesisch 佢书 kʰɵy˨˧ puːn˧˥ syː˥˥ „sein Buch“, 支筆/支笔 tsiː˥˥ pɐt˥˥ „der Stift“. Die Wahl des Zählwortes wird durch die Semantik des Substantivs bedingt: 把 bǎ steht im Hochchinesischen bei Substantiven, die ein Ding bezeichnen, das einen Griff besitzt; mit 所 suǒ werden Substantive konstruiert, die ein Gebäude bezeichnen usw. Eine Übersicht über wichtige Zählwörter des Hochchinesischen bietet der Artikel Liste chinesischer Zählwörter.

Sprachcode nach ISO 639

Die ISO-Norm ISO 639 definiert Codes für die Auszeichnung von Sprachmaterialien. Die chinesischen Sprachen werden in der Norm unter dem Sprachcode zh (ISO 639-1) und zho/chi (ISO 639-2/T und /B) subsumiert. Die Norm ISO 639-3 führt den Sprachcode zho als sog. Makrosprache ein – ein Konstrukt, welches für eine Gruppe von Sprachen angewandt wird, wenn diese als Einheit behandelt werden kann. Im Falle der chinesischen Sprachen ist dieser Faktor durch die gemeinsame geschriebene Form gegeben. Die subsumierten Einzelsprachen sind im Einzelnen: gan (Gan), hak (Hakka), czh (Hui-Dialekt), cjy (Jin), cmn (Hochchinesisch), mnp (Min Bei), cdo (Min Dong), nan (Min Nan), czo (Min Zhong), cpx (Puxian), wuu (Wu), hsn (Xiang), yue (Kantonesisch).

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Rekonstruktion nach: William H. Baxter: A Handbook of Old Chinese Phonology. Trends in Linguistics, Studies and monographs No. 64 Mouton de Gruyter, Berlin / New York 1992. ISBN 3-11-012324-X
  2. Formen nach Norman 1988, 213
  3. Baxter 1992
  4. Xu Baohua u. a.: Shanghaihua Da Cidian. Shanghai Ceshu Chubanshe, Shanghai 2006
  5. Oi-kan Yue Hashimoto: Phonology of Cantonese. University Press, Cambridge 1972 und Matthews und Yip 1994
  6. 6,0 6,1 6,2 Li 2002
  7. 周长楫 (Zhou Changji): 闽南方言大词典 (Großes Wörterbuch der südlichen Min-Dialekte). 福建人民出版社, Fuzhou 2006. ISBN 7211038969
  8. nach Norman 1987 und James Alan Matisoff: Handbook of Proto-Tibeto-Burman: System and Philosophy of Sino-Tibetan Reconstruction. University of California Press, ISBN 0-520-09843-9
  9. C steht hier für einen unbekannten Konsonanten
  10. Wortgleichung und Rekonstruktion *kwjəl nach Edwin G. Pulleyblank: The historical and prehistorical relationships of Chinese. In: W. S.-Y. Wang (Hrsg.): The Ancestry of the Chinese Language. 1995. S. 145–194
  11. Rekonstruktion in Anlehnung an Baxter 1992, der jedoch die Existenz des *-l- ablehnt
  12. 梅祖麟: 唐代、宋代共同语的语法和现代方言的语法. In: Paul Jen-kuei Li, Chu-Ren Huang, Chih-Chen Jane Tang (Hrsg.): Chinese Languages and Linguistics II: Historical Linguistics. (Symposium Series of the Institute of History and Philology, Academia Sinica, Number 2). Taipei 1994, Seite 61–97.
  13. nach Norman 1987, S. 236
  14. Karlgren, Bernhard: Schrift und Sprache der Chinesen. 2. Aufl., Berlin u. a.: Springer, 2001, S. 20 ff.
  15. Matthews und Yip 1994, 26
  16. Laurent Sagart: The Roots of Old Chinese. (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, Servies IV, Volume 184) John Benjamins, Amsterdam/Philadelphia 1999. ISBN 90-272-3690-9, S. 142–147; W. A. C. H. Dobson: Early Archaic Chinese. A Descriptive Grammar. University of Toronto Press, Toronto 1962, S. 112–114.
  17. 17,0 17,1 Altchinesische Rekonstruktionen nach Baxter und Sagart.
  18. Die angegebenen Formen stellen nur eine Auswahl dar.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 Hashimoto 1973
  20. Jiaguwen Heji 13503
  21. 21,0 21,1 21,2 21,3 Matthews und Yip 1994
  22. Shijing 300
  23. Baiyujing (百喻經), 0.5; zitiert nach Thesaurus Linguae Sericae
  24. Mencius 6A/6
  25. Shi Jing 241

Literatur

Allgemeines

  • John DeFrancis: The Chinese Language: Fact and Fantasy. University of Hawaii Press, Honolulu 1984
  • Bernhard Karlgren: Schrift und Sprache der Chinesen. 2. Aufl., Springer, 2001, ISBN 3-540-42138-6.
  • Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press, 1988, ISBN 0-521-22809-3, ISBN 0-521-29653-6.
  • S. Robert Ramsey: The Languages of China. 2. Auflage. Princeton University Press, Princeton 1987. ISBN 0-691-06694-9, ISBN 0-691-01468-X
  • Graham Thurgood und Randy J. LaPolla: The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London 2003. (zum Chinesischen: Seite 57-166)

Sprachgeschichte und historische Sprachen

  • William H. Baxter: A Handbook of Old Chinese Phonology. Trends in Linguistics, Studies and monographs No. 64 Mouton de Gruyter, Berlin / New York 1992. ISBN 3-11-012324-X.
  • W. A. C. H. Dobson: Early Archaic Chinese. A Descriptive Grammar. University of Toronto Press, Toronto 1962 (behandelt die Sprache des 11. und 10. Jahrhunderts v. Chr.)
  • И. С. Гуревич. И. Т. Зограф: Хрестоматия по истории китайского языка III-XV вв. (Chrestomatie für die Geschichte der chinesischen Sprache vom 3. bis 15. Jahrhundert), Moskau 1984
  • Alain Peyraube: Recent issues in chinese historical syntax. In: C.-T. James Huang und Y.-H. Audrey Li: New Horizons in Chinese Linguistics, 161-214. Kluwer, Dordrecht 1996
  • Edwin G. Pulleyblank: Outline of a Classical Chinese Grammar (Vancouver, University of British Columbia Press 1995); ISBN 0-7748-0505-6 / ISBN 0-7748-0541-2.
  • Wang Li (王力): 漢語史稿 (Skizze der Geschichte des Chinesischen). Peking 1957.
  • Dan Xu: Typological change in Chinese syntax. Oxford University Press, Oxford 2007, ISBN 0-19-929756-8.
  • Yang Bojun (杨伯峻) und He Leshi (何乐士): 古汉语语法及其发展 (Die Grammatik und Entwicklung des antiken Chinesisch). Yuwen Chubanshe, Peking 2001

Moderne Sprachen

  • Chales N. Li und Sandra A. Thompson: Mandarin Chinese. A Functional Reference Grammar. University of California Press, Berkeley 2003
  • Huang Borong (黄伯荣) (Hrsg.): 汉语方言语法类编 (Kompendium der Grammatik der chinesischen Dialekte). Qingdao Chubanshe, Qingdao 1996. ISBN 7-5436-1449-9
  • Mataro J. Hashimoto: The Hakka Dialect. A linguistic study of Its Phonology, Syntax and Lexicon. University Press, Cambridge 1973. ISBN 0-521-20037-7
  • Nicholas Bodman: Spoken Amoy Hokkien. 2 Bände, Charles Grenier, Kuala Lumpur 1955–1958 (behandelt das südliche Min)
  • Ping Chen: Modern Chinese. History and Sociolinguistics. Cambridge University Press, Cambridge 1999
  • Stephen Matthews und Virginia Yip: Cantonese. A Comprehensive Grammar. Routledge, London/New York 1994
  • Yinji Wu: A synchronic and diachronic study of the grammar of the Chinese Xiang dialects. Mouton de Gruyter, Berlin 2005
  • Yuan Jiahua (袁家骅): 汉语方言概要 (Abriss der chinesischen Dialekte). Wenzi gaige chubanshe, Peking 1960
  • Anne O. Yue-Hashimoto: Comparative Chinese Dialectal Grammar − Handbook for Investigators (Collection des Cahiers de Linguistique d'Asie Orientale, Band 1). Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris 1993, ISBN 9782910216009.
  • Yuen Ren Chao: A grammar of spoken Chinese. University of California Press, Berkeley 1968 (behandelt den Mandarin-Dialekt von Peking)

Lexika

  • Instituts Ricci (Hg.): Le Grand Dictionnaire Ricci de la langue chinoise. Desclée de Brouwer, Paris 2001. ISBN 2-220-04667-2.
  • Robert Henry Mathews: Mathews’ Chinese-English dictionary. China Inland Mission, Shanghai 1931; Nachdrucke: Harvard University Press, Cambridge 1943 etc.
  • Werner Rüdenberg, Hans Otto Heinrich Stange: Chinesisch-deutsches Wörterbuch. Cram, de Gruyter & Co., Hamburg 1963.
  • Li Rong (李荣): 现代汉语方言大词典 (Großes Wörterbuch der modernen chinesischen Dialekte.). Jiangsu jiaoyu chubanshe, Nanjing 2002. ISBN 7-5343-5080-8

Weblinks

Wiktionary: Chinesisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Kategorie:Chinesisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks Wikibooks: Chinesisch – Lern- und Lehrmaterialien
 Commons: Chinese languages – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Dieser Artikel wurde am 23. Juni 2008 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.
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