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Carl Hagenbeck

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Carl Hagenbeck

Carl Gottfried Wilhelm Heinrich Hagenbeck (* 10. Juni 1844 in Hamburg; † 14. April 1913 ebenda) war ein deutscher Tierhändler, Völkerschauausrichter und Zoodirektor. Er revolutionierte und beeinflusste weltweit die Zooarchitektur durch die Erfindung naturalistischer Freigehege.

Leben

Modell des Circus Carl Hagenbeck
Carl Hagenbeck
Hagenbecks Grab mit bronzener Löwenskulptur
Adolph Friedländer: Plakat für eine Singhalesen-Völkerschau, 1886
Kaiser Wilhelm II. im Tierpark Hagenbeck

Sein Vater, der Fischhändler Gottfried Claes Carl Hagenbeck (1810–1887), begann 1848 in Hamburg einen mit Tierschauen verbundenen Tierhandel, den Carl Hagenbeck 1866 übernahm und zum größten Geschäft der Art in Deutschland ausbaute. Anfangs schickte er vier bis fünf Expeditionen pro Jahr nach Afrika zum Tierfang, später in die ganze Welt. Ebenso lieferte er in die ganze Welt, in die Menagerien von Kaisern und anderen Herrschern.

1875 öffnete Carl Hagenbecks erste Völkerschau nach einer Idee des befreundeten Tiermalers Heinrich Leutemann (1824–1905). Während des Aufenthalts in Hagenbecks Ausstellungsgelände konnten Besucher den Lappländern bei ihrem alltäglichen Leben zusehen. Hagenbecks Schau feierte große Erfolge. Die kleine Lappländerschau wanderte von Hamburg aus weiter nach Berlin. Anschließend reiste sie nach Leipzig. Um die Ausstellungen aus dem Umfeld von Schaubuden und Vergnügungslokalitäten zu lösen, versuchte man von nun an seriöse Ausstellungsorte zu finden, damit die Schauen auch vom Bürgertum respektiert wurden. Nach dem unerwarteten großen Erfolg der ersten Völkerschau Carl Hagenbecks plante dieser schnell weitere. Mithilfe seiner Verbindungen zu Tierfängern auf der ganzen Welt brachte er 1876 drei „Nubier“ nach Europa und gleich darauf eine Eskimofamilie aus Grönland. 1883 und 1884 veranstaltete er eine Kalmücken- und eine Singhalesen- bzw. Ceylonschau. Mit der Eröffnung seines Tierparks in Stellingen 1908 vor den Toren Hamburgs stand Carl Hagenbeck ein eigenes Ausstellungsgelände zur Verfügung, wo Somalier, Äthiopier und Beduinen auftraten.

Hagenbeck eröffnete 1887 einen Zirkus: Carl Hagenbecks Internationaler Circus und Singhalesen-Karawane, der später als Hagenbeck’s Zoologischer Circus firmierte. 1890 führte er die zahme Dressur von Wildtieren ein und plante einen offenen Tierpark ohne Gitter, auf den er 1896 auch ein Patent erwarb. Im selben Jahr trat er mit seinem Thierzirkus auf der Berliner Gewerbeausstellung auf, wo er Eisbären, Seehunde und verschiedene Vögel vor einem 60 Meter tiefen und 25 Meter breiten Eismeerpanorama präsentierte.[1] Der Zirkus wurde 1905 nach dem Aufkauf durch einen amerikanischen Zirkus zum Circus Hagenbeck-Wallace. Carls jüngerer Bruder Wilhelm Hagenbeck (1850–1910) betrieb ebenfalls einen Zirkus, der später von Wilhelms Söhnen Willy (1884–1965)[2] und Carl (1888–1949) weitergeführt wurde.

Am 5. Mai 1907 eröffnete Hagenbeck in Stellingen, nördlich von Hamburg, auf Grundlage seines Patentes den ersten gitterlosen Zoo der Welt, der noch heute als Tierpark Hagenbeck existiert. Diese Gründung stand in Konkurrenz zu dem noch bis 1930 existierenden Zoologischen Garten in Hamburg und wurde ab 1909 von einer Mehrzahl der deutschen zoologischen Gärten boykottiert, wovon konkurrierende Tierhändler, wie zum Beispiel die Nachfahren von Ludwig Ruhe, profitierten.[3] 1911 wurde Hagenbeck gemeinsam mit dem damaligen Publikumsliebling, dem Walross Pallas, in Auftrag der Hamburger Kunsthalle von dem Maler Lovis Corinth porträtiert, das entstandene Bild Porträt Carl Hagenbeck mit dem Walroß Pallas ist heute noch Bestandteil der Sammlung der Hamburger Kunsthalle. Im Jahr 1912 wurde Hagenbeck zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Familie

Carl Hagenbeck heiratete am 11. März 1871 in Hamburg Amanda, geb. Mehrmann (1849–1939). Sie hatten 10 Kinder, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten – drei Mädchen und zwei Jungen. Die beiden Söhne Heinrich (1875–1945) und Lorenz (1882–1956) waren beide Inhaber der Firma Carl Hagenbeck. Lorenz war ebenfalls im Tierhandel tätig und trat bei der Ausstellung in St. Louis in den USA 1904 auf. Er schrieb das Buch "Tiere sind mein Leben", das im Internet-Archive in englischer Übersetzung zu lesen ist. [4]

Carl Hagenbeck wurde in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Auf seinem Grab lag vor einem Findling mit den eingravierten Namen Carl, Heinrich und Lorenz Hagenbeck die bronzene Figur des schlafenden Löwen Triest, dem Lieblingstier Carl Hagenbecks. Der Löwe hatte ihm einmal das Leben gerettet, als Hagenbeck im Freigehege gestolpert und von einem Tiger angegriffen worden war. Die Skulptur wurde geschaffen von Josef Pallenberg, dem Künstler, der auch die Tierplastiken zum Eingangstor des Tierparks entwarf. In den ersten Januar-Tagen 2014 wurde der Bronze-Löwe gestohlen.[5]

Am 5. Mai 1994 gab die Deutsche Bundespost einen Sondermarken-Block zu seinem 150. Geburtstag und dem 150-jährigen Bestehen des Berliner Zoos heraus.

Kritik

Da um 1870 das Interesse an Zoos langsam zurückging, griff Hagenbeck die Idee des befreundeten Malers Heinrich Leutemann auf und ließ Tiere aus dem hohen Norden von Samen begleiten. Da sich viele Schaulustige einfanden, um sich die „Fremden“ anzusehen, produzierte Hagenbeck bis 1913 54 solcher Ausstellungen, in denen große Gruppen von Menschen aus den traditionellen Tierfanggebieten – meist aus Afrika und Südostasien – ausgestellt wurden. Kommerziell waren die Völkerschauen überaus erfolgreich. In keinem Verhältnis dazu standen die geringen Entlohnungen der Dargestellten, die häufig unter falschen Versprechungen angeworben wurden. Schwarze Afrikaner, die als „halbzivilisiert“ bezeichnet und in Völkerschauen ausgestellt wurden, erfuhren auffälligerweise eine noch einmal deutlich schlechtere Behandlung als Afroamerikaner, die im kaiserzeitlichen Deutschland z.B. als Musiker auftraten.[6] Auch die medizinische Betreuung war mangelhaft: Eine Inuit-Dorfgemeinschaft starb an Pocken, weil man vergessen hatte, sie zu impfen.[7]

Zur Zeit der Völkerschauen waren viele in Deutschland und Europa der Meinung, man sei berechtigt, „fremde“ Menschen in Zoos auszustellen, wie Hagenbeck es in großem Umfang tat. Die Ausstellungen wurden so organisiert, dass sie der stereotypen Wahrnehmung der ausgestellten „Völker“ durch die weißen Europäer entsprachen und diese bestärkten. Die dazugehörigen Werbemedien verfolgten den Zweck, die „Überlegenheit“ der Europäer gegenüber den ausgestellten Kulturen auch sprachlich darzustellen. Den Völkerschauen wurde häufig ein wissenschaftlicher Anstrich verliehen; in der Folge erhielt Hagenbeck die Ehrenmitgliedschaft einer anthropologischen Gesellschaft.[8]

Die Völkerschauen traten mit dem Anspruch auf, das Leben der dargestellten Völker „authentisch“ zu repräsentieren. Während der Besuchszeiten mussten die Dargestellten Tänze und Rituale aufführen, die in der Schaustellung allerdings ihres Kontextes in den Kulturen der Dargestellten enthoben wurden. Tatsächlich vermittelten die Völkerschauen ein exotistisches Bild, das einen entscheidenden Einfluss auf die europäische Wahrnehmung des Fremden ausübte. Einige Kritiker Hagenbecks und der Völkerschauen vertreten daher die Ansicht, die Völkerschauen hätten den Zweck verfolgt, die deutsche Bevölkerung für den Kolonialismus einzunehmen.[9] Die Inhalte der in hunderttausendfacher Auflage herausgegebenen Begleitpublikation Carl Hagenbeck’s illustrierte Tier- und Menschenwelt standen im Zusammenhang mit dem in Deutschland nach dem Verlust der Kolonien verbreiteten Kolonialrevisionismus.[10] Balthasar Staehelin schreibt dagegen: „Der koloniale Aspekt der Völkerschauen in den Zoologischen Gärten tritt weniger in einer offenen Propaganda für den Kolonialismus zu Tage, sondern äußert sich in der Formierung einer Denkhaltung, die Tiergärten und außereuropäische Menschen assoziativ und unreflektiert verknüpft.“[11]

Die Kritische Weißseinsforschung sieht in den Völkerschauen, die von Hagenbeck und anderen Unternehmern organisiert wurden, ein besonders wirkmächtiges Beispiel für rassistische Praxis im Deutschland der Kaiserzeit.[12]

Veröffentlichungen

  • Beiträge über Leben und Treiben der Eskimos in Labrador und Grönland. Aus dem Tagebuche des von Herrn Carl Hagenbeck in Hamburg. Im Selbstverlage des Herausgebers, Berlin 1880.
  • Die Bedeutung der Zebus und Zebu-Kreuzungen. Meissel, Hamburg 1890
  • Ein Rückblick. Auszug aus dem in Kürze erscheinenden, reich illustrierten Memoirenwerk. Erinnerungen und Erlebnisse. Knackstedt & Näther, Hamburg 1907
  • Von Tieren und Menschen. Erlebnisse und Erfahrungen. Vita Deutsches Verlagshaus, Berlin-Ch. 1908. Digitalisat 81. bis. 90. Tausend. Neue wohlfeile Ausgabe. 1909
  • Hans Schomburgk: Wild und Wilde im Herzen Afrikas. Zwölf Jahre Jagd- und Forschungsreisen.Vorwort von Carl Hagenbeck. Fleischel, Berlin 1910.
  • Von Tieren und Menschen. Erlebnisse und Erfahrungen. Mit einem Vorwort von Siegfried Seifert. Neuausgabe. List, Leipzig 1967

Literatur

Einzelnachweise

  1. Johanna Lutteroth: 100 Jahre Carl Hagenbeck: König der Löwen. In: einestages. 12. April 2013
  2. Circus-Plakate Willy Hagenbeck
  3. Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2005, ISBN 3-593-37732-2, S. 54.
  4. Animals Are My Life. Translated by Alec Brown. Publisher The Bodley Head., London 1956
  5. http://www.abendblatt.de/hamburg/article123648421/Diebe-stehlen-Loewen-vom-Grab-der-Hagenbecks.html
  6. Nicole L. Butler: The Black Question (= Independent Study Project (ISP) Collection. Paper 365). Loyola University Chicago, Frühling 2006, S. 10 (PDF; 218 KB).
  7. Regina Kusch: Der König der Tiere: 100. Todestag des Zoodirektors Carl Hagenbeck. In: Deutschlandradio Kultur. 14. April 2013
  8. Philipp Dorestal: Repräsentationen des „Exotischen“. „Gezähmte Wilde“ und „Völkerschauen“ in Deutschland. In: analyse & kritik Nr. 504, 17. März 2006.
  9. Utz Anhalt: Der Völkerzoo. Zum hundertsten Geburtstag von Hagenbecks Tierpark. In: sopos. 7/2007.
  10. Gisela Graichen & Horst Gründer: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma. Ullstein, Berlin 2007, ISBN 978-3-548-36940-2, S. 394.
  11. Zitiert nach Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2005, ISBN 3-593-37732-2, S. 277.
  12. Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. Bertelsmann, München 2008, ISBN 3-570-01008-2.

Weblinks

 Commons: Carl Hagenbeck – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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