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Bosniaken

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Dieser Artikel behandelt die Bosniaken als Ethnie im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens; zu weiteren Bedeutungen dieses Begriffes siehe Bosniak.

Bosniaken (bosnisch: Bošnjaci, sg.: Bošnjak) sind eine südslawische Ethnie mit etwa drei Millionen Angehörigen, die primär in Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro leben. Der Begriff ersetzte 1993 die bis dahin amtliche Bezeichnung der bosnischen Muslime als Muslimani u smislu narodnosti („Muslime im Sinne der Nationalität“).[1] Die Bosniaken sprechen die bosnische Sprache, eine Standardvarietät des Serbokroatischen. Die Zugehörigkeit zu den Bosniaken bzw. bosnischen Muslimen sagt zunächst einmal nichts über die tatsächliche Religiosität der Gruppenangehörigen aus, da es sich um eine ethnische, keine religiöse Zuordnung handelt. Noch 1990 bezeichnete sich die Mehrheit nicht als religiös.[2] Da jedoch die Konfession im Osmanischen Reich und im späteren Jugoslawien, speziell in Bosnien und Herzegowina, als Unterscheidungskriterium der Nationalitäten verwendet wurde, war lange Zeit der Begriff Muslime bzw. slawischsprachige Muslime üblich. Eine offizielle Bezeichnung existierte zunächst nicht, da die jugoslawische Regierung anfänglich die Existenz einer muslimischen/bosniakischen Ethnie verneinte. Die Bosniaken sind heute neben Kroaten und Serben laut Verfassung eines der drei konstitutiven Völker von Bosnien und Herzegowina.

Ethnonym

Herkunft des Landesnamens

Die slawischen Siedler, welche im Zuge der Landnahme der Slawen auf dem Balkan im heutigen Bosnien und Herzegowina siedelten, übernahmen den Namen ihrer neuen Heimat von den einheimischen Illyrern, im Gegensatz zu den Kroaten und Serben, welche die neue Heimat nach sich selbst benannten (Kroatien, Serbien). Die Illyrer nannten ihr Land nach dem Oberlauf des Flusses Bosna, dessen alter Name nicht mehr bekannt ist. Man geht aber davon aus, dass der Flussname auch bei den Illyrern die Wurzel "Bos" enthielt.

Die früheste heute bekannte Nennung des Flusses stammt aus dem Jahr 8 unserer Zeitrechnung von Velleius Paterculus im Rahmen seiner Beschreibung des Großen Aufstandes in den Jahren 6 bis 9, in der von der Niederlage der pannonischen Einheiten am 3. August des Jahres 8 in der Nähe des Flusses Bathinus flumen die Rede ist. Eine weitere lateinische Bezeichnung ist Basan. Diese Namen entstammen aber wie auch der Name Bosna der ursprünglichen illyrischen Bezeichnung.[3]

Die früheste Nennung des Landesnamens stammt von Konstantin Porphyrogenitus aus dem 10. Jahrhundert. (cwrinon Bosona).[3]

Bošnjane (Mittelalter)

Aus dem Landesnamen entstand später die Bezeichnung Bošnjani (sg.: Bošnjanin; lat. sg.: Bosnensis; ital. pl.: Bosignani), mit der die Einwohner des Territoriums des frühen spätmittelalterlichen Bosniens bezeichnet wurden. Je nach politischem Motiv wurden die Bewohner der neu eroberten Gebiete auch als Bošnjani bezeichnet. Ob es einen Zusammenhang zwischen der Religionszugehörigkeit und dem Ethnonym gab, ist umstritten.[4]

Eines der ältesten Dokumente, das die Bezeichnung Bošnjani verwendet, stammt von Stjepan II. Kotromanić um das Jahr 1322, dort heißt es: "dobri Bošnjani" (dt. gute Bošnjane). Das Ethnonym wurde zu dieser Zeit fast immer mit dem Adjektiv gut verbunden.[5][6]

Bošnjaci (Osmanisches Reich)

Mit der Eroberung durch das Osmanische Reich kam es langsam zu einer Änderung der bosnischen Sprache; Wörter mit den Endungen "-ak" wurden häufiger gebraucht (wie Poljak oder Slovak). Mit der Stabilisierung der osmanischen Herrschaft wurde Bošnjanin von Bošnjak (pl.: Bošnjaci) abgelöst. Während der osmanischen Herrschaft wurde die gesamte Bevölkerung Bosniens als Bošnjaci bezeichnet. Im Zuge der kroatischen und serbischen Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts begannen die katholischen und orthodoxen Bošnjaken sich als Kroaten und Serben zu bezeichnen. Eine echte Eigenbezeichnung der heutigen Bošnjaci gab es zu dieser Zeit nicht, da es auf muslimischer Seite zunächst keinen Nationalismus in dem Sinne gab. Man fühlte sich als Teil einer großen islamischen Gemeinschaft.[7] Bošnjaci lebten während dieser Periode überwiegend im Eyâlet Bosnien.

Muslimani (Österreich-Ungarn)

Nach dem Okkupationsfeldzug und somit dem Beginn der Herrschaft Österreich-Ungarns wurde von den Besatzern der Begriff Muhamedanci oder Muhamedovci (Muhammedaner) verwendet, mit dem sich aber die Bošnjaken nicht anfreunden konnten. Die Bevölkerung bezeichnete sich weiterhin als Bošnjak oder Turčin (Türke), wobei letzteres als Eigen- und Fremdbezeichnung von Muslimen auf dem ganzen Balkan verwendet wurde. Gleichzeitig kam der Begriff Musliman (Moslem) auf. Im Österreich-Ungarischen Militär wurde jedoch von je her der Begriff „Bosniaken“ verwendet. Im Jahre 1900 wurde dann offiziell Muhamedanci durch Musliman ersetzt, was die Bevölkerung dann auch akzeptierte.[7]

Jugoslawien

Zur Zeit des Königreichs Jugoslawien wurde die Existenz eines eigenen Volkes bestritten, man konnte sich bei den Volkszählungen in keiner Weise als Bošnjak bezeichnen.

Auch zur Zeit des sozialistischen Jugoslawien wurde die Existenz einer eigenen Ethnie zunächst bestritten; bei der ersten Volkszählung 1948 konnte man sich nur als Srbin-musliman (muslimischer Serbe), Hrvat-musliman (muslimischer Kroate) oder neopredjeljen-musliman (ethnisch indifferenter Muslim) bezeichnen. 1953 wurden alle Optionen, sich als Muslim zu bezeichnen – in welcher Form auch immer – gestrichen. Stattdessen wurde der Begriff Jugoslawe eingeführt. 1961 wurde Musliman jugoslovenskog porijekla (Muslim jugoslawischer Herkunft) vorgegeben. 1968 schließlich wurden – im Zuge einer beginnenden allgemeinen Dezentralisierung des Staates – die Muslime im ethnischen Sinn zum sechsten jugoslawischen Staatsvolk erklärt. Ab 1971 konnte man sich bei Volkszählungen als Musliman u smislu narodnosti (Muslim im ethnischen Sinn) bezeichnen.[7]

Gegenwart

Als ab 1989 der Zerfall Jugoslawiens begann, erfolgte eine Rückbesinnung auf den alten Begriff Bošnjak. Ab 1993 wurde er in Bosnien wieder offiziell verwendet; seitdem identifizieren sich hauptsächlich Bevölkerungsgruppen muslimischer Herkunft von Bosnien und Herzegowina und des Sandschaks mit dem Begriff sowie viele muslimische südslawische Minderheiten in Südosteuropa. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um praktizierende Muslime handelt oder solche, die kulturell und familiär einen muslimischen Hintergrund haben. Es gibt auch Gorani, die sich als Bosniaken sehen.[7] Heute sind die Bošnjaci verfassungsmäßig eines der drei konstitutiven Völker von Bosnien und Herzegowina.

Für die Ergebnisse der Volkszählung im Oktober 2013 wurde im Vorfeld erwartet, dass sich ein nennenswerter Anteil der bosnischen Einwohner als Bosnier oder Herzegowiner identifiziert, also eine territoriale anstatt ethnische Bezugsgröße wählen könnte. Je nach Größe dieser Gruppe würde dies das im Dayton-Vertrag etablierte Proporzsystem zwischen den drei „offiziellen“ Ethnien des Landes in Frage stellen.[8]

Die heutige, moderne Bezeichnung für alle Einwohner des Staates Bosnien und Herzegowina lautet – unabhängig von deren ethnischer Zugehörigkeit – Bosnier (Bosanci).

Sprache

Bosniaken sprechen zumeist Bosnisch, eine standardsprachliche Form jenes štokavischen Dialekts, auf dem auch Kroatisch und Serbisch basieren und die heute innerhalb Bosniens offiziell als eigenständige Sprache betrachtet und als solche ausgebaut wird. Sie weist im Vergleich zu den anderen Standardvarietäten des Serbokroatischen Unterschiede in Phonologie und Morphologie sowie teilweise in Syntax, Rechtschreibung und außerdem im Wortschatz auf, wobei letzteres am offensichtlichsten ist.

Der bosnische Wortschatz weist etwas größere Einflüsse der türkischen, persischen und der arabischen Sprache auf, welche durch das Osmanische ins Bosnische Einzug fanden.

Siedlungsgebiet

Gebiete, in denen Bosniaken die Mehrheit stellen

Zum Siedlungsgebiet der Bosniaken gehört heute überwiegend Bosnien und Herzegowina, vor allem dessen Teilrepublik Föderation Bosnien und Herzegowina, und einige kleine Abschnitte an dessen Grenze sowie Regionen zwischen Serbien und Montenegro.

Bis zum Bosnienkrieg 1992 stellten die Bosniaken vor allem die Stadtbevölkerung des Landes, sie siedelten vor allem im Zentrum und im Osten sowie in der Region Bihać im Westen.

Nach den sogenannten "ethnischen Säuberungen" während des Krieges, als Bosniaken vor allem aus den von der Republika Srpska kontrollierten Gebieten entlang der Drina vertrieben wurden und dem Völkermord an den Bosniaken in Srebrenica konzentrieren sie sich inzwischen auf die Region um die Städte Sarajevo, Zenica und Tuzla und den Raum Bihać. Die Region Bihać ist deckungsgleich mit dem Kanton Una-Sana, welcher mit 94,3 % den höchsten Anteil von Bosniaken an der gesamten Einwohnerzahl aufweist. Das kulturelle Zentrum der Bosniaken ist Sarajevo.

In Staaten des ehemaligen Jugoslawiens

Durch die ökonomisch bedingte Binnenwanderung während der jugoslawischen Periode entstand eine bosniakische Diaspora in Slowenien und Kroatien. Es gibt aber in Kroatien auch vereinzelt Bosniaken die seit der Osmanischen Herrschaft dort leben, diese gehören zu den wenigen übrig gebliebenen Bosniaken, die nicht nach dem Ende der Osmanischen Herrschaft bzw. dem Rückzug des Eyâlet Bosnien ausgewandert sind. Der Krieg auf dem Balkan in der ersten Hälfte der 1990er Jahre sorgte zudem für erhebliche Flüchtlingsbewegungen.

Regionen Bosniaken Jahr der Erhebung
Bosnien und HerzegowinaBosnien und Herzegowina Bosnien und Herzegowina 000000001860347.00000000001.860.347 48.00 % [9] 2013
SerbienSerbien Serbien 145 278 02.02 % [10] 2011
MontenegroMontenegro Montenegro 53 605 08.65 % [11] 2011
KroatienKroatien Kroatien 000000000031479.000000000031.479 00.73 % [12] 2011
KosovoKosovo Kosovo 000000000027553.000000000027.553 01.58 % [13] 2011
SlowenienSlowenien Slowenien 000000000021542.000000000021.542 01.10 % [14] 2002
MazedonienMazedonien Mazedonien 000000000017018.000000000017.018 00.84 % [15] 2002

Türkei

Eine große bosniakische Diaspora besteht in der Türkei. Es leben heute je nach Quelle fünf[16], sieben[16], acht[17] oder gar zwölf[17] Millionen Nachfahren von Bosniaken in der Türkei. Von der Okkupation bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs (1878 bis 1914) sind nach Angaben Österreich-Ungarns aus Bosnien und Herzegowina 61.114 Bosniaken ausgewandert, was aber nicht den Tatsachen entsprach. Alleine schon in der Periode 1900 bis 1905 waren es 72.000 Bosniaken nach den Angaben des osmanischen Komitees für die Platzierung der Flüchtlinge, in der gleichen Periode waren es nach Österreich-Ungarns Angaben lediglich 13.750. Schätzungen gehen von 150.000 Auswanderern während der Herrschaft Österreich-Ungarns aus, es gibt auch Publizisten die von 300.000 Bosniaken sprechen, was aber von den meisten Historikern als Übertreibung betrachtet wird.

Bosniaken in anderen Staaten der Welt

Seit den 1960er Jahren kamen Bosniaken als Gastarbeiter in westeuropäische Staaten, in den 1990er Jahren als Kriegsflüchtlinge auch in die USA, nach Kanada und Australien.

In Deutschland entstanden erste bosniakische Gemeinden bereits in den 1960er und 1970er Jahren, als zahlreiche Gastarbeiter aus Jugoslawien nach Deutschland kamen. Viele der in Deutschland lebenden Bosniaken sind während des Bosnienkrieges zugewandert. Seit 1994 bzw. 2007 gibt es den Dachverband Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland.

Geschichte

„Ethnographische Karte der europäischen Türkei“ von 1877 – Die Bosniaken werden hier als Mohamedan. Serbokroaten oder Bosnische Türken bezeichnet.
In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen folgende wichtige Informationen: Die Bosnische Kirche und das Bogumilentum. Islamisierung der slawischen Bevölkerung auf den Gebiet des heutigen Bosnien. Rechtlicher Status von Muslimen im Osmanischen Reich im Gegensatz zu Christen (Steuern). Kultur, Religion und Brauchtum. Österreich-Ungarn und die bosnischen Muslime. Bedeutung im Königreich Jugoslawien. Politische Affiliationen und Identifikation (1918–1992; Anlehnung an Kroaten oder Serben oder eigenständig.). Glaube und Kommunismus. Die Bosniaken als anerkannte Ethnie (ab 1990). Moderne Einflüsse auf die Gemeinschaft (säkular vs. islamischer Staat). Die bosnische Sprache.
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Politisches Instrument für die Bewegung der Blockfreien

Nachdem Tito zusammen mit Nasser und Nehru die Bewegung der blockfreien Staaten gegründet hatte, kamen die bosnischen Muslime nach dem Zweiten Weltkrieg wieder leichter in Kontakt mit der restlichen muslimischen Welt. Obwohl die Islamische Religiöse Gemeinschaft, welche die jugoslawischen Muslime offiziell repräsentierte, dazu instruiert wurde, den Islamischen Weltkongress in Karachi 1952 zu boykottieren, wurden deren Angehörige bald im Namen der sozialistischen Republik Jugoslawien in alle Welt geschickt. Ein muslimischer Hintergrund war ein Vorteil für Kandidaten für den jugoslawischen auswärtigen Dienst. Viele bosnisch-muslimische Diplomaten dienten daher in den arabischen und indonesischen Staaten. Die Tatsache, dass diese Beamten alle Mitglieder der kommunistischen Partei waren und ihre Religion größtenteils aufgegeben hatten, schien von keiner Bedeutung zu sein, solange sie muslimische Vornamen trugen.[18]

Streben nach Anerkennung

Bei der Volkszählung von 1948 standen den Muslimen im ehemaligen Jugoslawien drei Optionen zur Verfügung: Sie konnten sich "muslimische Serben", "muslimische Kroaten" oder aber als "Muslime (nicht deklarierte Nationalität)" nennen. Tatsächlich gaben der überwiegende Teil der Muslime „nicht deklariert“ an.

1953 gab es ein ähnliches Ergebnis. Seinerzeit wurde der Geist des Jugoslawismus propagiert. Die Bezeichnung "Muslim" wurde entfernt. An ihre Stelle trat die Angabe "Jugoslawe (nicht deklarierte Nationalität)". Wiederum entschieden sich die meisten für diese Option.

In den 1960ern begann sich der Trend zu ändern, und bis heute ist nicht klar, weshalb. Im Allgemeinen fügten sich die bosnischen Politiker der serbischen Dominanz. Die bosnische kommunistische Partei zählte etwa 60 % Serben und lediglich 20 % Muslime. Nach dem Rücktritt des Serben Đuro Pucar als Parteivorsitzender und Aleksandar Ranković als Titos Sicherheitschef kam es zu einer entspannteren Politik gegenüber den nicht-serbischen Volksgruppen. Es gab aber bereits früher Bestrebungen zur Anerkennung der Muslime als eigenständiger Ethnie. Zwei Faktoren waren dabei entscheidend: Ein Bestreben, das in den frühen 1960ern aufkam, die republikanischen Identitäten gegenüber einem „integralen Jugoslawismus“ zu stärken, und der Aufstieg einer kleinen Elite muslimischer Kommunisten innerhalb der Partei.[19]

Bei der Volkszählung von 1961 war es möglich, Muslim im ethnischen Sinne anzugeben. Ebenso bezog sich die bosnische Verfassung von 1963 in der Präambel auf „Serben, Kroaten und Muslime, in Vergangenheit vereinigt durch ein gemeinsames Leben“, was implizit bedeutete, dass die Muslime als Volksgruppe erachtet wurden.[20] Von nun an wurden die Muslime wie die übrigen Volksgruppen behandelt, wenn dies auch noch nicht offiziell bestätigt wurde.

Eine Vielzahl von Akademikern und Beamten, unter der intellektuellen Führung von Muhamed Filipović und mit Hilfe kommunistischer Funktionäre wie etwa Atif Purivatra, startete daher eine Kampagne zur Großschreibung des "M" im Wort "Musliman" (Mitglied einer Volksgruppe im Gegensatz zu musliman, das lediglich auf die Religionszugehörigkeit verwies). Filipović wurde 1967 deswegen aus der Partei ausgeschlossen. Das bosnische Zentralkomitee der kommunistischen Partei entschied 1968 jedoch, dass „die derzeitige sozialistische Praxis zeigt, dass Muslime eine eigenständige Volksgruppe sind“. Trotz heftigen Widerstandes in Belgrad von Seiten serbisch-nationaler Kommunisten wie etwa Dobrica Ćosić oder etwa mazedonischer Politiker wurde diese Vorgangsweise von der Zentralregierung bestätigt. Die Angabe bei der Volkszählung von 1971 lautete daher "Muslim (im Sinne einer Volksgruppe)". Das Studium der islamischen Theologie in Bosnien-Herzegowina, ebenso wie der studentische Austausch mit anderen muslimischen Staaten, wurden seitdem stimuliert. 1977 wurde die Fakultät der Islamischen Theologie an der Universität Sarajewo eingerichtet.[19]

Die Rolle der Intellektuellen

Alija Izetbegović (1925–2003) – Er erklärte 1992 die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina und war Präsident der Republik Bosnien und Herzegowina (1990–1996) und führendes Mitglied des kollektiven Staatspräsidiums (1996–2000).

Die Bewegung zur Anerkennung der Slawischen Muslime als eigenständiger Volksgruppe begann in den späten 1960ern und Anfang der 1970er. Dies war keine islamisch-religiöse Bewegung, sondern wurde von Kommunisten und anderen säkularisierten Muslimen geführt, welche die muslimische Identität in Bosnien-Herzegowina in etwas definitiv nicht-religiöses umwandeln wollten. Es entwickelten sich jedoch zwei unterschiedliche Strömungen: Die Bewegung des säkularen „Muslimischen Nationalismus“, und ein davon getrenntes Wiederaufleben des islamischen Glaubens.[21][22]

Zur ersten Strömung gehörten Wissenschaftler wie Atif Purivatra, der sich seit Ende der 1960er intensiv und auf akademischem Niveau mit der Frage der Nationalität der bosnischen Muslime auseinandersetzte. Ein prominentes Beispiel für die Sichtweisen der zweiten Strömung ist die „Islamische Deklaration“. Diese programmatische Schrift wurde von Alija Izetbegović Mitte der 1960er Jahre verfasst. Izetbegović stand mit seinen Ansichten im Gegensatz zu Purivatra; er beschäftigte sich vielmehr mit der Lage des Islam in der ganzen Welt, statt mit den Problemen in Bosnien-Herzegowina. Er verurteilte unter anderem den Nationalismus als trennendes Instrument und bezeichnete den Kommunismus als inadäquates System.[18] Izetbegović wurde in der Folge 1983 zu vierzehn Jahren Haft wegen „Aufrufs zur Zerstörung Jugoslawiens“ verurteilt.

Bosniakische Namen

Die bosniakischen Nachnamen haben, wie im südslawischen Raum üblich, oft die Endungen „ić“ oder „ović“. Anhand der Nachnamen ist der Einfluss der osmanisch-islamischen Kultur erkennbar. So tragen viele Bosniaken Namen wie z. B. „Imamović“ (übersetzt: Sohn des Imams) oder „Hadžiosmanović“ (Sohn des Haddschi Osman). Da Bosniaken in Bosnien und Herzegowina während der Herrschaft des Osmanischen Reiches den Adel stellten, gibt es viele Nachnamen die darauf hinweisen wie z. B. „Kurbegović“ (Nachkommen des Kur-beg) oder „Hadžipašić“ (Nachkommen des Haddschi-paša). Die häufigsten Adelstitel, die sich in Nachnamen finden lassen, sind -beg-, -aga- und -paša-.

Es gibt daneben aber auch bosniakische Nachnamen, die keine -Endung besitzen. Diese beziehen sich in der Regel auf einen Beruf, auf die Herkunft oder andere Faktoren der Familiengeschichte. Ein Beispiel für einen solchen Namen ist der häufige Name Zlatar (übersetzt: Goldschmied). Es gibt auch Nachnamen, die aus der vorslawischen Zeit stammen und deren Bedeutung heutzutage nicht mehr bekannt ist.

Andere bosniakische Namen haben nichts orientalisches an sich, enden aber auf -ić. Diese Namen haben ihren Ursprung im Mittelalter und haben sich wahrscheinlich seitdem nicht verändert. Sie gehören dem alten bosnischen Adel an oder sind der letzten Welle der zum Islam Konvertierten zuzurechnen. Beispiele hierfür sind Tvrtković und Kulenović (vgl. König Tvrtko oder Ban Kulin).

Die Vornamen der Bosniaken sind meist arabischen, türkischen oder persischen Ursprungs. So heißen viele z. B. Hasan, Adnan, Sulejman oder Emir. Einige arabische Namen werden gekürzt. Daneben sind auch Namen populär, die nicht religiös gebunden und im gesamten südslawischen Raum verbreitet sind, wie etwa der Name Zlatan (der Goldene).

Literatur

  • Bartosz Bojarczyk: Radical Islamism – A threat to Bosniak Identity and Security of Bosnia and Herzegovina. In: Jakub Olchowski, Tomasz Stępniewski, Bartosz Bojarczyk, Alina Sobol (Hrsg.): Bosnia and Herzegovina and the Western Balkans. Yearbook of the Institute of East-Central Europe. Band 12, Nr. 3, 2014, S. 53–72.
  • Adisa Busuladži´c: The Bosniaks: Failing Role Models for Muslim Europeans. In: International Journal of Euro-Mediterranean Studies. Band 3, Nr. 2, 2010, S. 211–222.
  • Annette Monika Fath-Lihic: Nationswerdung zwischen innerer Zerrissenheit und äußerem Druck. Die bosnischen Muslime auf dem Weg vom ethnischen Bewusstsein zur nationalen Identität. (Dissertation) Universität Mannheim 2007 (DNB 985352493, Volltext)
  • Atif Purivatra: Nacionalni i politički razvitak Muslimana. Svjetlost, Sarajevo 1969.

Weblinks

 Commons: Bosniaken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, 2010, S. 241.
  2. Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, 2010, S. 284.
  3. 3,0 3,1 Salmedin Mesihović: "Thallóczy und die Untersuchung der Bezeichnung „Bosna“." o. O. o. J.
  4. Pejo Ćošković: "Veliki knez bosanski Tvrtko Borovinić." Zagreb 1996.
  5. Mak Dizdar: "Stari bosanski tekstovi." Sarajevo 1969.
  6. Lejla Nakaš: "Konkordancijski rječnik ćirilskih povelja srednjovjekovne Bosne." Sarajevo 2011.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Mustafa Imamović: "Historija Bošnjaka." Sarajevo 1997.
  8. Andreas Ernst: „Bosnjak, Serbe, Kroate oder gar Bosnier“. In: Neue Zürcher Zeitung vom 15. Oktober 2013.
  9. CIA World Factbook: Bosnien und Herzegowina (englisch)
  10. 2011 of Population, Households and the Dewellings in the Republic of Serbia – Population – Ethnicity
  11. Census of Population, Households and Dwellings in Montenegro 2011. Monstat. Abgerufen am 26. April 2013.
  12. English Wikipedia: Demographics of Croatia: Ethnic groups Link
  13. English Wikipedia: Demographics of Kosovo: 2011 census Link
  14. English Wikipedia: Demographics of Slovenia: Ethnic groups Link
  15. English Wikipedia: Demographics of Macedonia: Ethnic groups Link
  16. 16,0 16,1 Daniel Roters: Artikel: Bosnisch-Türkische Identitäten und (Lied)traditionen: Zapjevala sojka ptica 2013 (21. Oktober 2013) Link
  17. 17,0 17,1 Ifet Sivić: Diplomarbeit: Die Sprache und die Kultur der Bosniaken in der Türkei. Universität Wien 2012.
  18. 18,0 18,1 Malcolm, Noel: Bosnia. A Short History, 1994, S. 197, 200 ff.
  19. 19,0 19,1 Malcolm, Noel (1994): Bosnia. A Short History. S. 197.
  20. Höpken, Die Kommunisten und die Muslime, S. 196 f.; Irwin, Islamic Revival, S. 443.
  21. A. Popović: Islamische Bewegungen, S. 281.
  22. Irwin, Zachary: The Islamic Revival and the Muslims of Bosnia and Herzegovina, East European Quarterly, Vol. 17, 1983. S. 445 f.
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