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Augustinus von Hippo

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Augustinus ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zu dem Vornamen Augustinus siehe Augustinus (Vorname).
Älteste bekannte Darstellung von Augustinus in der Tradition des Autorbildes (Lateranbasilika, 6. Jahrhundert)

Augustinus von Hippo, auch: Augustinus von Thagaste, Augustin oder (allerdings nicht korrekt) Aurelius Augustinus (* 13. November 354 in Tagaste, auch: Thagaste, in Numidien, heute Souk Ahras in Algerien; † 28. August 430 in Hippo Regius in Numidien, heute Annaba in Algerien) war einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike und ein wichtiger Philosoph an der Epochenschwelle zwischen Antike und Mittelalter. Augustinus war zunächst Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand. Wie sein Vater war er Heide, unter dem Einfluss der Predigten des Bischofs Ambrosius von Mailand ließ er sich 387 taufen; von 395 bis zu seinem Tod 430 war er Bischof von Hippo Regius. Sein Gedenktag in der Liturgie ist der 28. August.

Augustinus hat zahlreiche theologische Schriften verfasst, die zu einem großen Teil erhalten sind.[1] Diese Schriften bilden für Augustinus eine Einheit; der christliche Glaube ist ihm Grundlage der Erkenntnis (crede, ut intelligas: „glaube, damit du erkennst“). Das Werk Bekenntnisse (Confessiones) gehört zu den einflussreichsten autobiographischen Texten der Weltliteratur. Augustinus' Philosophie enthält von Platon stammende, jedoch im christlichen Sinn modifizierte Elemente. Hierzu gehören insbesondere die Dreiteilung der Wirklichkeit in die Welt des höchsten Seins, die nur dem Geist zugänglich ist, die Geist-Seele des Menschen und die niedere Welt des Werdens, die den Sinnen zugänglich ist. Die erste Biographie des Augustinus stammt von Possidius von Calama, der ihn als Schüler noch gut gekannt hat.

Als einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike bzw. der Patristik hat er das Denken des Abendlandes wesentlich geprägt. In der orthodoxen Kirche dagegen blieb er praktisch unbekannt; als seine Lehre im 14. Jahrhundert durch griechische Übersetzungen auch in Konstantinopel bekannt wurde, stieß sie auf Ablehnung, soweit sie nicht ohnehin dem Konsens anderer Kirchenväter entsprach. Seine Theologie beeinflusste die Lehre fast aller westlichen Kirchen, ob katholisch oder evangelisch. Auch die theologischen Schriften des emeritierten Papstes Benedikt XVI. sind wesentlich von der Lehre des Augustinus durchdrungen.[2]

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Das 4. Jahrhundert, in dem Augustinus geboren wurde, war für das Römische Reich eine unruhige Zeit. Kaiser Konstantin der Große hatte das Christentum privilegiert und den Einfluss der traditionellen Götterkulte zurückgedrängt („Konstantinische Wende“). Konstantins Söhne, die seine Nachfolge gemeinsam im Jahr 337 antraten, mussten sich sowohl der äußeren Bedrohung durch die Germanen und das neupersische Sassanidenreich an den Grenzen erwehren als auch im Inneren für Ruhe sorgen. Zum Zeitpunkt von Augustinus’ Geburt regierte Constantius II., der als einziger von Konstantins Söhnen die Machtkämpfe überlebt hatte, das Imperium. Stärker als sein Vater und seine Brüder hatte Constantius den Weg beschritten, die christliche Kirche in eine Reichskirche umzuwandeln. Gleichzeitig kam es zu heftigen theologischen Auseinandersetzungen, da Constantius dem sogenannten „Arianismus“ (in seiner homöischen Ausprägung) anhing, der besonders im Westen eher abgelehnt wurde. Am Ende hatte Constantius sein Ziel, ein einheitliches Glaubensbekenntnis für die gesamte Reichskirche zu verabschieden, nicht erreicht.[3]

In Augustinus’ Jugendzeit fiel die kurze, aber bemerkenswerte Regierungszeit Julians (361–363), der als letzter Kaiser Anhänger des alten Götterglaubens war und vergeblich um dessen Erneuerung bemüht war. Die nachfolgenden Kaiser waren alle Christen, und Theodosius I. sollte das Christentum schließlich per Gesetz zur Staatsreligion erklären (380) und die heidnischen Götterkulte verbieten (391/92).[4] Als um 375 die große Völkerwanderung einsetzte, bedrängten die von den Hunnen abgedrängten Germanenstämme stärker als zuvor die Grenzen des Imperiums. 406/07 brach die Rheingrenze zusammen (siehe Rheinübergang von 406), nun stand der Westen des Reiches den Germanen offen. An seinem Lebensende sollte Augustinus noch erleben müssen, wie die Vandalen nach Africa übersetzten und Stadt um Stadt eroberten. Im Jahr 476 ging das Weströmische Reich endgültig unter (siehe auch Spätantike). Das römische Africa sollte bis zur „Reconquista“ durch den oströmischen Feldherrn Belisar in den 30er Jahren des 6. Jahrhunderts für das Imperium verloren sein.[5]

Leben

Kindheit und Jugend

Augustinus wurde 354 in der nordafrikanischen Stadt Thagaste in der römischen Provinz Numidien geboren. Die Provinz erfreute sich einer relativen Sicherheit und eines gewissen Wohlstands, auch wenn der donatistische Streit für Unruhe sorgte.

Augustinus’ Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, war Heide; erst kurz vor seinem Tod (372) trat er zum Christentum über und ließ sich taufen. Die Mutter Monica[6] war Christin aus einer christlichen Berber-Familie. Sie hat Augustinus christlich erzogen, aber nicht taufen lassen – die Kindertaufe war damals noch nicht üblich, da die Vorstellung einer Erbsünde, von der die Taufe befreit, erst durch und nach Augustinus entwickelt wurde. Augustinus hatte einen Bruder, Navigius, und eine Schwester heute unbekannten Namens, die als Witwe Vorsteherin eines Frauenklosters wurde. Seine Muttersprache war das Lateinische; später erwarb er Grundkenntnisse des Griechischen, die er erst in späteren Jahren als Presbyter durch intensives Studium der griechischen Bibel vertiefte. Auch schien er in seiner Jugend eine Abneigung gegen griechische Autoren gehabt zu haben (vgl. Confessiones 1,13f), wobei er, wie Cicero, ihre philosophische Spitzfindigkeit bemängelte.[7]

Augustins Vorname „Aurelius“ ist zeitgenössisch oder in seinen Schriften nicht belegt. Er geht wahrscheinlich auf eine spätere Verwechslung zurück.[8]

Studium in Thagaste

Bis 370 besuchte Augustinus die Schule in Thagaste und die Universität der Nachbarstadt Madauros (heute M'Daourouch). Schon hier wurde, vor allem anhand Vergils, die Wort(-für-Wort)-Exegese betrieben. Ab 371 studierte er Rhetorik in Karthago.[9] In seinen späteren Texten berichtet er von jugendlichen Ausschweifungen in dieser Zeit. Er ging früh eine uneheliche Verbindung ein mit einer Frau unbekannten Namens aus Karthago (Jostein Gaarder nennt sie in seinem Buch „Vita brevis“ mit fiktiven Briefen an Augustinus „Floria Aemilia“), die 15 Jahre lang dauern sollte. Diese Lebensgefährtin gebar 372 einen gemeinsamen Sohn, der den Namen Adeodatus („Der von Gott Gegebene“) erhielt.[9]

Zu dieser Zeit befasste er sich intensiv mit Ciceros Buch Hortensius, einer heute nur noch in Fragmenten vorhandenen Einführung in die Philosophie ähnlich dem aristotelischen Protreptikos. Das Buch hatte für ihn eine lange Zeit einen hohen Stellenwert, noch 386 sah er es als grundlegend an. Nach Augustinus' eigenen Worten habe Cicero ihm die Liebe zur Philosophie nahegebracht.[10] Die Bibel hingegen fand er enttäuschend; insbesondere das Alte Testament stieß ihn ab, aber auch das widersprüchliche Geschlechterregister Christi befremdete ihn.

373 wandte Augustinus sich dem Manichäismus zu[9], einer gnostischen Glaubensgemeinschaft, die staatlich verboten war. Er wirkte hier als Auditor (als „Hörer“) mit, d. h. als einfaches Gemeindemitglied mit eingeschränkten Verpflichtungen. Ab 382 begann er, sich vom Manichäismus mehr und mehr abzuwenden; 383 kam es zu einer für ihn intellektuell enttäuschenden Begegnung mit dem manichäischen Bischof Faustus von Mileve.

Ab 375 lebte Augustinus als Lehrer für Rhetorik in Thagaste. Dort kam es zu Konflikten innerhalb der Familie, als Augustinus seine Mutter zum Manichäismus zu bekehren versuchte. Im folgenden Jahr ging er als Rhetoriklehrer nach Karthago, 383 zog er nach Rom.

Lehrer in Mailand

384 wurde er (durch Unterstützung manichäischer Freunde in Rom und auf Empfehlung des römischen Stadtpräfekten Quintus Aurelius Symmachus) als Rhetoriklehrer nach Mailand berufen, wo Kaiser Valentinian II. residierte.[9] Eine seiner Aufgaben bestand jetzt darin, die öffentlichen Ehrenreden auf Kaiser und Konsuln zu halten.

Philosophisch orientierte sich Augustinus in seiner Mailänder Zeit zunächst erneut an Cicero. Durch dessen Schriften machte er sich mit dem Skeptizismus der Neuen Akademie vertraut, um von hier aus den Manichäismus zu kritisieren. 385 traf seine Mutter in Mailand ein, vermutlich zu dieser Zeit entschied er sich, Katechumene der Kirche zu werden (das Christentum war seit 380 „Staatsreligion“). Auf Drängen seiner Mutter, die für ihn eine standesgemäße Verlobung mit einem christlichen Mädchen aus wohlhabender Familie arrangiert hatte, trennte er sich im selben Jahr von seiner Lebensgefährtin, die nach Nordafrika zurückkehrte. Der gemeinsame Sohn blieb bei Augustinus. Bis zur Heiratsfähigkeit der Verlobten lebte Augustinus zwei Jahre lang mit einer anderen Frau zusammen.

In Mailand lernte er durch den dortigen Bischof Ambrosius die platonisierende Bibelauslegung kennen. Er begann, sich wieder für die Religion seiner Kindheit zu interessieren, das Christentum, und studierte die Schriften der Neuplatoniker (vermutlich ab 386), darunter wahrscheinlich Abhandlungen von Plotin und Porphyrius. Augustinus gab den Skeptizismus auf und begriff sich von nun an als Philosoph, nicht mehr als Rhetoriker; die neuplatonische Philosophie wurde für sein Denken grundlegend. Parallel hierzu studierte er die Schriften des Paulus, dessen Gnadenlehre ein Zentralstück seiner Theologie bilden sollte.

Nimm und lies (lat. tolle lege)

Bekehrungserlebnis

Im selben Jahr geriet Augustinus in eine intellektuelle, psychische und körperliche Krise, worauf er seinen Beruf aufgab (Conf. VIII 2,2–4). Die Wende brachte am 15. August 386 eine meist als Bekehrungserlebnis bezeichnete religiöse Erfahrung. Infolgedessen beschloss er, auf Ehe, Geschlechtsverkehr und Beruf zu verzichten und ein kontemplatives Leben zu führen. Augustinus hat diese Erfahrung mehrfach beschrieben. Am berühmtesten wurde die Schilderung am Ende des achten Buches (Conf. VIII 12,29) der Confessiones. Sie hat in Malerei, Literatur und biographischem Schrifttum ein starkes Echo gefunden.

Im Zustand religiöser Unruhe und Ungewissheit verließ er das Haus, in dem er in Mailand zu Gast war, und ging in den Garten, gefolgt von Alypius. Dort wurde ihm sein Elend bewusst, er brach in Tränen aus. Er entfernte sich von Alypius, legte sich weinend unter einen Feigenbaum und sprach zu Gott. Plötzlich vernahm er eine Kinderstimme, die immer wieder rief: „Nimm, lies!“ (lat. Tolle, lege!). Da ihm Ähnliches über Antonius, den Einsiedler aus der Wüste, bekannt war, verstand er: Gott befahl ihm, ein Buch aufzuschlagen und die Stelle zu lesen, auf die sein Blick als erste fallen würde. Er kehrte zu Alypius zurück, schlug die Seiten mit den Paulusbriefen auf und las: „Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht zur Erregung eurer Lüste“ (Röm 13,13-14 EU). Da erlangte er Gewissheit. Der Freund Alypius las den darauffolgenden Vers: „Des Schwachen im Glauben aber nehmt euch an“ (Röm 14,1 EU). Dies auf sich beziehend, schloss er sich Augustinus an. Sie gingen ins Haus zu Augustinus' Mutter, um ihr zu berichten.

Die Erzählung ist, entsprechend den literarischen Gepflogenheiten der Zeit, stark stilisiert; der Rhetorikprofessor Augustinus hat die Lebensbeschreibung des Antonius und den Feigenbaum Jesu Jüngers Nathanael (Joh 1,48 EU) zweckdienlich eingearbeitet.

Rückzug nach Cassiciacum

Taufe von Augustinus in Mailand durch Ambrosius von Mailand in der Osternacht 387 (24./25. April)

Mit einigen Verwandten und Freunden zog Augustinus sich danach auf das Landgut eines Freundes in Cassiciacum zurück (möglicherweise das heutige Cassiago in der Nähe des Comer Sees); hier verfasste er zahlreiche Schriften. In der Osternacht 387 (24./25. April) ließ er sich mit seinem Sohn Adeodatus und seinem Freund Alypius in Mailand von Ambrosius taufen, wobei der Legende nach das gregorianische Te Deum entstanden sein soll. Die Taufe bedeutete für ihn wie für viele Christen dieser Zeit den Bruch mit der Welt. Mit Verwandten und Freunden bereitete er seine Rückkehr nach Nordafrika vor. Da der Usurpator Magnus Maximus, der mit dem im Osten regierenden Kaiser Theodosius I. im Krieg lag, mit seiner Flotte die römischen Häfen blockiert hatte, blieb die Reisegruppe in der römischen Hafenstadt Ostia hängen. Augustinus' Mutter Monica starb hier 387. Erst gegen Ende 388 erreichte Augustinus Karthago.

Bereits bei der Ankunft gehörten er und Alypius zur Gruppe der „Gottesdiener“ (servi Dei), getaufte Laien, die beschlossen hatten, ein Leben in Vollkommenheit zu führen. Die Gruppe ließ sich auf Augustins Familienbesitz in Thagaste nieder, wo Augustinus weitere zwei Jahre lang sein kontemplatives Leben führte; in dieser Zeit starb sein Sohn Adeodatus, an den sich seine Schrift Über den Lehrer (De magistro) von 389 gewandt hatte. Augustin verfasste hier die erste seiner zahlreichen dogmatischen Streitschriften gegen konkurrierende christliche Strömungen, den Genesiskommentar gegen die Manichäer.

Klostergründer und Bischof in Hippo

391 ging er nach Hippo, um für die „Gottesdiener“ ein Kloster zu gründen; er besuchte eine Predigt des Bischofs Valerius von Hippo und wurde bei dieser Gelegenheit von der anwesenden Gemeinde gedrängt, dem Bischof zu versprechen, sich zum Priester weihen zu lassen; die Weihe wurde noch im selben Jahr vollzogen. Valerius stellte Augustinus ein Grundstück zur Verfügung, auf dem er ein Kloster gründete. 394 weihte Valerius ihn zum Auxiliarbischof, der den Bischof zunehmend als designierter Nachfolger vertrat. Nach dem Tode des Valerius wurde Augustinus 396 Bischof von Hippo, eine Position, die er bis zu seinem Lebensende innehatte. Mit dem kontemplativen Leben war es vorbei, als Bischof musste er predigen und sich mit Fragen des Rechts und der Verwaltung beschäftigen. Er führte weiterhin ein Leben in Armut und warf sich mit Eifer auf die Bekämpfung der konkurrierenden christlichen Strömungen: des Manichäismus, des Donatismus und des Pelagianismus. Und er diktierte Buch auf Buch; am Ende seines Lebens waren es mehr als 100 Werke. 396/397 entwickelte er erstmals seine Gnadentheologie; die autobiographischen Bekenntnisse (Confessiones) schrieb er 397/398; an der Schrift Über die Dreieinigkeit (De trinitate), einem seiner Hauptwerke, arbeitete er von 399 bis 419.

Durch seine Vorkämpferstellung im Konflikt mit den Donatisten, zu deren Bekehrung er sich auch staatlicher Gewalt bediente, wurde Augustinus zur wichtigsten Führungsfigur der Kirche in Nordafrika. Auch den römischen Bischöfen gegenüber betonte Augustinus die Eigenständigkeit der nordafrikanischen Kirche. Unter anderem als Reaktion auf die Eroberung Roms durch die Westgoten 410 verfasste er die Schrift Über den Gottesstaat (De civitate Dei), an der er von 413 bis 426 arbeitete; er entwickelt hier die für Jahrhunderte gültige Unterscheidung zwischen irdischem Staat und Gottesstaat (civitas terrena und civitas Dei) und widersprach der verbreiteten Auffassung, dass der Fall Roms auch den göttlichen Heilsplan in Frage stelle.

Augustinus starb 430 während der Belagerung Hippos durch die Vandalen (zum geschichtlichen Zusammenhang vgl. den Feldherrn Bonifatius, der auch mit Augustinus bekannt war, und Spätantike). Seine Gebeine befinden sich heute in der Kirche San Pietro in Ciel d'Oro in Pavia/Norditalien.

Philosophie

Augustinus als Kirchenlehrer, 1440, Stadtkirche Langenzenn

Augustinus' Philosophie hat auch im Mittelalter nachgewirkt. Besonders erwähnenswert sind die folgenden Themen:

Wahrheitsbegriff

Der zunächst vom Skeptizismus geprägte Augustinus beschäftigte sich zeitlebens mit dem Problem der Wahrheit. Bei der Lösung nimmt er René Descartes' cogito ergo sum voraus, indem er die Unzweifelhaftigkeit der Existenz des Denkenden feststellt:

„wird jemand darüber zweifeln, dass er lebt, sich erinnert, Einsichten hat, will, denkt, weiß und urteilt? […] Mag einer auch sonst zweifeln, über was er will, über diese Zweifel selbst kann er nicht zweifeln“

De trinitate X, 10

Er fasst es kurz zusammen mit si enim fallor, sum: „Denn (selbst) wenn ich irre, so bin ich (doch).“

Wahrheit ist für ihn immer notwendig und ewig. Als Vorbild dienen ihm die idealen Wahrheiten der Mathematik, da die Sinneswahrnehmungen wegen ihrer Unzuverlässigkeit und der Wandelbarkeit der äußeren Welt diese Eigenschaften nicht aufweisen. Da die Quellen der Wahrheit also nicht dort liegen können, sucht Augustinus sie im menschlichen Geist selbst:

„Suche nicht draußen! Kehre in dich selbst zurück! Im Innern des Menschen wohnt die Wahrheit. […] [D]er Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern findet sie vor.“

De vera religione 39, 72f.

Der Grund aller Wahrheit sind bei Augustinus die ewigen Ideen in Gottes Geist. Gott selbst ist die Wahrheit. Wie bei Platon haben auch bei Augustinus die Urbilder den ontologisch höchsten Status. Verfügbar wird die Wahrheit für den Menschen nun in der vermittelten Erleuchtung des Geistes durch Gott (Illuminations- bzw. Irradationstheorie). Der göttliche Geist (mundus intelligibilis) „strahlt“ diese Ideen und Regeln direkt in den menschlichen Geist „ein“; die Wahrheit findet sich also nicht außerhalb des Menschen, sondern im Menschen selbst vor. Die genaue Deutung dieser Theorie bleibt umstritten, doch scheint Augustinus einen gemäßigten erkenntnistheoretischen Apriorismus zu vertreten.

Zeitauffassung

„Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich’s, will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht.“

Confessiones lib. 11; ebenso die folgenden Zitate

Augustinus spricht über drei Zeiten: Gegenwart des Vergangenen, Gegenwart des Gegenwärtigen und Gegenwart des Zukünftigen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als solche existieren nach Augustinus nicht:

„Wie kann man sagen, dass [die vergangenen und zukünftigen Zeiten] sind, da doch die vergangene schon nicht mehr und die zukünftige noch nicht ist? Die gegenwärtige aber, wenn sie immer gegenwärtig wäre und nicht in Vergangenheit überginge, wäre nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit.“

Vielmehr ist die Vergangenheit eine Erinnerung in der Gegenwart, und die Zukunft eine Erwartung in der Gegenwart, während die Gegenwart selbst, ein aus der Zukunft in die Vergangenheit an unserem Geiste vorüberziehender Moment ist. Wir messen die Zeit anhand eines

„Eindruck[s], den die vorübergehenden Dinge [in unserem Geiste] hervorbringen und der bleibt, wenn sie vorübergegangen sind, ihn, den gegenwärtigen, [messen wir], nicht was vorübergegangen ist und ihn hervorgebracht hat.“

Das augustinische Zeitverständnis enthält damit eine subjektive Komponente der Zeit, da wir die vergangene Zeit als Eindruck nur in unserem Geiste messen können, wir also in uns verschiedene erlebte Zeiträume miteinander vergleichen und dadurch immer zu subjektiven Aussagen gelangen müssen, so kam uns zum Beispiel jene Zeit länger vor, als eine andere. Zukünftige Dinge können wir nicht messen, da wir noch nichts über sie aussagen können, erst wenn sie an uns vorüberziehen und wir dadurch einen Eindruck gewonnen haben, können wir für uns entscheiden, ob jener Eindruck länger oder kürzer war.

Dennoch ist Augustinus kein reiner Zeitsubjektivist, da für ihn die Zeit immer noch untrennbar mit den Dingen und der Welt verbunden ist:

„Ginge nichts vorüber, gäbe es keine vergangene Zeit; käme nichts auf uns zu gäbe es keine zukünftige Zeit; wäre überhaupt nichts, gäbe es keine gegenwärtige Zeit.“

Auch ist für Augustinus Zeit real und keine reine Ichzeit, da Gott sie geschaffen hat. Augustinus Zeitbegriff ist also subjektimmanent aber nicht rein subjektiv.

Trotzdem steht dieses Verständnis im krassen Gegensatz zu der platonischen objektiven Zeitauffassung, in der die Zeit die Bewegung von Himmelskörpern ist, so ist zum Beispiel die Vollendung eines Tages die Bewegung von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Dagegen führt Augustinus an, dass

„wenn sich ein Körper bewegt, [wir mit der Zeit messen], wie lange er sich bewegt, und zwar vom Anfang bis zum Ende seiner Bewegung, […] denn ein Körper bewegt sich nur in der Zeit“

und stellt diese selbst nicht dar. Und auch wenn sich ein Körper nicht bewegt, sind wir doch in der Lage seinen Stillstand zu messen und etwas über die Dauer seines Stillstandes auszusagen, genau deshalb kann Bewegung nicht gleich Zeit sein.

Theologie

Trinität

Sein dogmatisches Hauptwerk sind die 15 Bücher De trinitate (Über die Dreieinigkeit). Einen Unterschied zwischen den einzelnen Personen, die er gleich ewig, gleich vollkommen und gleich allmächtig sieht, verneint Augustinus nicht; er will zwar nicht Modalist sein, nähert sich dem Modalismus aber stark an. Die Personen betrachtet er vor allem als „Relationen“ innerhalb des göttlichen Wesens.

Die Lehre des Ausgangs des Geistes aus Vater und Sohn hat er erstmals vorgetragen. Später führte diese Aussage zum Filioque-Streit.[11]

Seine Lehre lieferte noch nach seinem Tod einen entscheidenden Beitrag zum Konzil von Chalcedon (451), da Papst Leo der Große in seinem Tomus an die Versammlung eine christologische Schlüsselaussage machte, die von Augustinus stammte: „zwei Naturen in einer Person“, Jesus sei also Gott und Mensch zugleich.

Vom Prämillenarismus zum Amillenarismus

Augustinus ist ein Vertreter des Amillenarismus und sprach sich gegen den Prämillenarismus aus, der die frühe Eschatologie prägte.

Zunächst dachte er in damaliger Sicht von 5000 Jahren von Adam bis zur Fleischwerdung Christi,[12] an der sich das tausendjährige Reich anschließt. Dann argumentierte er, unter Einfluss der allegorischen Auslegung, das tausendjährige Reich bezeichne kein irdisches Reich sondern bezeichne „symbolisch“ den Zeitraum zwischen Jesu erstem und zweitem Kommen.[13]. Augustinus vermerkte auch, die Aussicht auf fleischliche Genüsse und Schlemmereien, in einem irdischen Reich halte von einem ernsthaften Einhalten der Gebote ab. Durch Augustinus verbreitete sich der Amillenarismus in der westlichen Kirche.

Prädestination

Augustinus ist als ein Vertreter der Prädestination bekannt, in der der Mensch zum ewigen Leben von Gott vorherbestimmt ist. In seinem Spätwerk Vom Gottesstaat (De civitate Dei) geht er vor der Schaffung des Menschen von zwei Engelsstaaten aus, dem Staat der bösen Engel (civitas diaboli) und dem Staat der guten Engel (civitas dei), einige der Engel haben sich „grundlos“ von Gott „abgekehrt“ und sind böse geworden. Nach Schaffung des Menschen wurden diese beiden Staaten in den irdischen Staat (civitas terrena) und den Gottesstaat (civitas coelestis) übergeleitet, wiederum in dualistischer Ausrichtung. Nach dem jüngsten Gericht schließt sich der Kreis; am Ende gibt es wieder zwei Staaten: Civitas Mortalis, d. h. die Höllenstrafe in Ewigkeit und auf der anderen Seite Civitas Immortalis, die ewige Herrschaft mit Gott (Himmel). Die Anzahl der Menschen, die in den Himmel kommen, entspreche dabei genau der Anzahl der abgefallenen Engel, so dass der Ausgangszustand wieder hergestellt ist:

„Das andere vernunftbegabte Geschöpf, der Mensch, der durch ererbte und eigene Sünden und Strafen ganz verlorengegangen war, sollte aus seinem wiederhergestellten Teil ergänzen, was der Fall der Dämonen der Gemeinschaft der Engel genommen hatte.“[14]

Augustinus’ Lehre von der doppelten Prädestination – mit ihrer impliziten Ablehnung des freien Willens zur Entscheidung für Gott oder gegen ihn durch den Menschen – von der katholischen Kirche bereits im 5. Jahrhundert nicht übernommen, übte allerdings einen sehr großen Einfluss auf Reformatoren wie Martin Luther und, vor allem, Johannes Calvin und die Abfassung der so genannten fünf Punkte der calvinischen Kirchen (englisch TULIP) aus. Katholiken und Arminianer lehren dagegen ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtfertigung des Menschen, die Notwendigkeit der Kooperation des freien Willens des Menschen.

Die Auffassung der beiden civitates hatte einen bedeutenden Einfluss auf die mittelalterliche Zwei-Schwerter-Theorie, welche die beiden civitates mit der geistlichen und weltlichen Gewalt identifizierte, und auf die Zwei-Reiche-und-Regimenten-Lehre der lutherischen Reformation.

Erbsündenlehre und freier Wille

Augustin führte eine große Auseinandersetzung mit Pelagius, der die Theorie des freien Willens vertrat und Augustinus vorwarf, noch in den Schlingen des Manichäismus verfangen zu sein. Pelagius wurde zwar 418 im Sinne von Augustinus verurteilt, fand aber seinen Nachfolger in Julianus von Eclanum. In dieser noch heftigeren Auseinandersetzung entwickelte Augustinus die Lehre der Erbsünde. Augustinus hat dabei die Interpretation von Römer 5,12 (ἐφ᾿ ᾧ πάντες ἥμαρτον) übernommen, die Hilarius eingeführt hat: „In ihm [Adam] haben alle gesündigt“, so als wären alle in Adam enthalten gewesen (quasi in massa). Im Gegensatz zu Pelagius meinte Augustinus, dass die Erbsünde physisch übertragen werde. Augustinus argumentierte, dass nur diejenigen, die völlig unverdient die Gnade Gottes erhielten, dieser Erblast entkommen können und ewiges Leben erhalten würden. Für Augustinus war klar, dass

„Gott im Herzen der Menschen wirkt, um ihren Willen dahin geneigt zu machen, wohin immer er will: entweder zum Guten gemäß seiner Gnade oder zum Bösen nach ihren bösen Verdiensten.“

Und er lehrte, dass von der Minderheit, die der Hölle entgehe, nur wenige einer schmerzlichen Läuterung nach dem Tod entrinnen würden.

Höllenlehre

Augustinus war der Ansicht, dass man in einer Hölle endlose Qualen leiden muss. Stellen wie Mt 25,46 EU legte er so aus, dass das äonische (aeternam) Leben wie auch die äonische Strafe endlos sein müsse:

„Ist beides ewig, so ist unweigerlich auch beides entweder langwährend, aber endlich, oder beides ist immerwährend und endlos.“

Auf die Frage, ob eine endlose Strafe für endliche Verfehlungen nicht unverhältnismäßig sei, entgegnete er, dass der Mensch wegen der Erbsünde „ewiges Übel“ verdiene. Augustinus stritt auch ab, dass ein Gericht reinigenden Charakter haben könne, sondern dass es allein strafend sei.

Damit grenzte sich Augustin ebenso wie Johannes Chrysostomos und ältere Kirchenlehrer wie Ambrosius von Mailand oder Hieronymus oder Hippolyt von Rom, der Zeitgenosse von Origenes, stark von Origenes’ Lehre der Apokatastasis ab. Augustinus Argumentationsmuster hatte einen großen Einfluss auf die westliche Theologie bis zur Gegenwart.

Verhältnis zu den Juden

Augustinus richtete gegen die Juden jahrzehntelang Angriffe. In der gegen Ende seines Lebens[15] verfassten Predigt Gegen die Juden, einer Anleitung zu ihrer Bekehrung, legte er den Juden seiner Zeit die Kreuzigung Jesu zur Last: „In euren Vätern habt ihr Christus getötet.“[16] Er nannte die Juden bösartig, wild und grausam.[17] In den Vorträgen über das Johannesevangelium von 414 bis 417[18] vergleicht er sie mit Wölfen[19], schimpft sie „Sünder“[20], „Mörder“[21], „zu Essig ausgearteter Wein der Propheten“[22], „eine triefäugige Schar“, „aufgerührter Schmutz“[23]. Sie seien des „ungeheuren Vergehens der Gottlosigkeit“[24] schuldig. Bereits in einer Karfreitagspredigt von 397 hatte er ihnen das Alte Testament abgesprochen: „Sie lesen es als Blinde und singen es als Taube.“[25]

Augustinus formulierte den Gedanken der „Knechtschaft“ der Juden, ihrer „servitus“[26], die 1205 von Papst Innozenz III. zu einer „ewigen“ („perpetua“) erklärt und 1234 in der Dekretensammlung Gregors IX. kodifiziert wurde, während auf kaiserlicher Seite gleichzeitig, von denselben Vorstellungen ausgehend, die sogenannte Kammerknechtschaft der Juden eingerichtet wurde.

Die Juden hatten in Augustinus’ Augen eine positive Funktion für das Christentum, weil sie, indem sie nicht an die biblischen Prophezeiungen über Jesus glaubten, gerade deren Echtheit bezeugten; „und eben wegen dieses Zeugnisses, das sie uns wider Willen leisten dadurch, dass sie die Texte besitzen und bewahren, sind sie selbst über alle Völker hin verstreut, soweit sich die Kirche erstreckt.“ [27] Weil sie als Zeugen für die Kirche nötig und von Gott vorgesehen seien, dürfe man sie nicht töten, sie trügen ein Kainsmal auf der Stirn.[28]

Pascal plante Augustinus’ Argumentation im Kapitel Beweise für Jesus Christus seiner Apologie der christlichen Religion heranzuziehen, er notiert in den Pensées: „(…) und es (das jüdische Volk) muß weiterbestehen, um ihn zu beweisen, und es muß im Elend sein, weil sie ihn gekreuzigt haben“.[29]

Auseinandersetzung mit den Donatisten

Augustinus war einer der Vorkämpfer gegen die Donatisten, einer rigoristischen Gruppe, die sich von der katholischen Kirchen abgespalten hatten und ihr gegenüber den Anspruch vertrat, eine Kirche der „Reinen“ und „Heiligen“ zu sein. Ihnen gegenüber sah Augustinus die Kirche als eine Gemeinschaft, die voll von Sündern ist. Er stellt sie als den Acker, auf dem Weizen und Unkraut wachsen. Darüber hinaus meldet er der donatistischen Heiligkeitsforderung gegenüber an, dass auch die Heiligen, solange sie im Leibe leben, der Sünde unterworfen bleiben, auch wenn es sich nur um geringe Verstöße handelte.[30]

Im Jahr 411 kam es zu einem Religionsgespräch, der sogenannten collatio, in deren Folge der Einfluss der Donatisten abnahm. Da die Gewaltbereitschaft der Donatisten zunahm, befürwortete er, diesem Übel durch harte Strafen, striktes polizeiliches Durchgreifen und Verbot des Zugangs zu Gerichten ein Ende zu machen. Augustinus verwendete als Rechtfertigung einen Satz aus einem Gleichnis Jesu: „Nötige die Leute hereinzukommen“ (Lk 14,23 LUT), was in der lateinischen Übersetzung Vulgata mit „zwingt sie einzutreten“ (compelle intrare) übersetzt ist (Lk 14,23 VUL). „Duldung“ bezeichnete Augustinus in diesem Zusammenhang nur als „unergiebig und nichtig“ (infructuosa et vana) und begrüßte die „Bekehrung“ vieler „durch heilsamen Zwang“ (terrore perculsi). Die Donatisten wurden durch den römischen Staat durch Enteignung, Verlust des Erbrechts und Verbannungen des Klerus aus Afrika „genötigt“. 411 belegte Honorius die Donatisten mit Geldbußen, die 414 für hochrangige Römer erhöht wurden, und ließ ihre Bischöfe und Priester aus Afrika verbannen. Im Jahr 420 erscheint Augustinus‘ letzte antidonatische Schrift Contra Gaudentium.

Diese Befürwortung der Gewalt gegenüber Schismatikern wurde bei der Einführung der Inquisition im Mittelalter als Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise angesehen.

Die Lehre vom gerechten Krieg

Nachdem die Stadt Rom Im Jahre 410 von den Westgoten (danach wieder 455 von den Vandalen und 472 von den Burgunden) geplündert wurde, kamen viele Flüchtlinge aus Rom in die nordafrikanischen Provinzen, die damals als sicher vor Einfällen von germanischen „Barbaren“ galt. Seit der Christianisierung Roms hatten sich aber immer weniger römische Staatsbürger zur Verteidigung Roms bereit erklärt und im Heer mussten germanische Söldner aufgenommen werden. Zugleich gab es nach wie vor eine kulminierende Skepsis von Teilen der Elite gegen die Verchristlichung des Reiches. Noch um 410 bekannte sich ein (allerdings abnehmender) Teil der gesellschaftlichen Elite zum traditionellen Götterglauben, wenngleich dies nicht selten auf einer konservativen Grundhaltung beruhte und weniger aus religiöser Überzeugung geschah.[31] Gegen diese Reaktion auf die Zeitumstände schrieb Augustinus sein Buch De civitate Dei, in dem er seine damals für unpassend gehaltene Friedenstheorie, eingebaut in philosophische und theologische Überlegungen, rechtfertigte, wonach nicht der Krieg, sondern der Friede das eigentliche Gesetz der Natur sei. Bedrängt durch weitere bedrohliche Zeitumstände, die auch die Sicherheit Nordafrikas in Frage stellten (kurz nach seinem Tod wurde auch Hippo von den Vandalen erreicht), versuchte Augustinus daneben, diese Lehre mit der Rechtfertigung von Verteidigungskriegen zu verknüpfen, so dass er jene Thesen formulierte, auf welchen aufbauend die bekannte, von Thomas von Aquin und anderen weiterentwickelte Lehre vom „gerechten Krieg“ (lat. bellum iustum) entstanden ist. Anknüpfend an die schon bei Cicero bestehenden Ansätze hob er deutlich hervor, dass ein gerechter Krieg, der von einer legalen Obrigkeit erklärt werden müsse, nur die Verteidigung der legitimen, vom Angreifer verletzten Rechte zum Ziel haben und kein größeres Elend hervorrufen dürfe, als er beseitige. Augustinus, der betonte, jeder Krieg entstehe durch einen ungerechten und inhumanen Angriff, wer aber einen gerechten Krieg führen müsse, solle darüber trauern, ihn führen zu müssen, versuchte dennoch folgenden Kompromiss:

„Krieg zu führen und durch Unterwerfung der Völker das Reich zu erweitern, erscheint den Bösen als Glück, den Guten als Zwang. Aber weil es schlimmer wäre, wenn die Ungerechten über die Gerechten herrschten, so nennt man nicht unpassend auch jenes ein Glück.“

Die Kirche als Mittler

In seiner Kirchenlehre (Ekklesiologie) betonte Augustinus die Rolle der Kirche als Mittlerin zwischen Gott und Mensch. Er schrieb:

„Ich würde nicht einmal dem Evangelium trauen, wenn mich die Autorität der Kirche nicht dazu bewegen würde.“[32]

Augustinus’ Ekklesiologie kam zu dem Schluss, dass der Kirche Interpretationshoheit und Mittlercharakter zukommen müsse. Ausgeschlossen ist für ihn, dass der Mensch durch das glaubende Aufnehmen von Bibelworten allein als Individuum ohne die Organisation Kirche selig und gläubig werden kann. Eine normierende Instanz war nötig, die festlegt, welche der vielen möglichen Auslegungen die richtige ist. Lehren, die in Konzilen unter Hoheit der Kirche festgelegt wurden, nehmen daher den gleichen Stellenwert wie die Glaubenstradition und der Bibeltext ein und vertreten den Anspruch, die allein richtige Sicht des Glaubens wiederzugeben. Will man „recht“ glauben, müsse man den Lehren der Kirche glauben.

Mit diesem Ansatz wurde Jesus Christus als alleiniger Mittler zwischen Gott und dem einzelnen Menschen beibehalten, jedoch die Kirche als „Heilsorganisation“ als ebenso unverzichtbar für das persönliche Heil des Einzelnen danebengestellt.

Augustinus und Ordensgemeinschaften

Augustinus überreicht dem hl. Norbert von Xanten seine Regel, um 1140

Augustinus war neben seiner Theologie auch als Bischof maßgeblich an der inneren Reorganisation der Kirche beteiligt. So hat er eine Regel für Frauen und Männer aufgestellt, die bis heute, in einer überarbeiteten Version, von verschiedenen Orden als Augustinusregel verwendet wird.

Augustinus hat auch eine Gruppe von Klerikern (Priester, Diakone …) um sich versammelt, die ein gemeinsames Leben führten und so zu den ersten Kanonikern wurden. Die Kanoniker des Augustinus waren, wie damals üblich, zum Enthaltsamkeitszölibat angehalten, was durch das gemeinsame Leben unterstützt wurde.

Nachdem im Frühmittelalter die Regel des Benedikt von Nursia weite Verbreitung gefunden hatte, und die augustinische Ordnung kaum bekannt war, wurden im Hochmittelalter, vor allem zur Zeit der Gregorianischen Reformen und des Investiturstreits, Ideen und Vorstellungen des Augustinus wieder verwendet. Diese beeinflussten nicht nur das Leben der Regularkanoniker (siehe auch Augustiner-Chorherren), sondern insbesondere auch Teile der in jener Zeit entstehenden Bettelorden (zum Beispiel Augustiner-Eremiten, Dominikaner, Mercedarier).

Musiktheorie und Wirkungen in der Musik

Musiktheorie

Augustinus' frühe Schrift De musica, deren Hauptteil (Buch I-V) er noch während seiner Tätigkeit als Rhetoriklehrer verfasste, ist ein herausragendes musiktheoretisches Werk über den Rhythmus. Es ist in Dialogform geschrieben und entwickelt eine originelle deduktive Rhythmustheorie in einer neu-pythagoreischen Methode. Seine Schrift geht weit über die Vorlagen der lateinischen Metriker hinaus und steht in der lateinischen Antike singulär da. Sie enthält unter anderem die früheste Theorie über Takt, Pausen und Synkopen. Einen angekündigten zweiten Teil über die Harmonik führte er nicht aus.

Wirkung in der Musik

Folgende jüngere Werke beziehen sich direkt auf Augustinus oder seine Texte:

Nachwirkungen

Die Wirkungsgeschichte von Augustinus wird insbesondere in der Geschichtswissenschaft und Philosophie unter dem Stichwort Augustinismus beschrieben.

Ordenswappen des Augustinerordens (Venedig, 1777)

Augustinus wird in den Darstellungen als Bischof im Ornat, zusammen mit den anderen drei Kirchenvätern (Ambrosius von Mailand, Hieronymus und Gregor der Große) oder mit seiner Mutter Monika von Tagaste dargestellt. Als Attribute werden ein Buch mit einer Feder, welches die Gelehrsamkeit symbolisiert und ein flammendes oder von Pfeilen durchbohrtes Herz, welches für das Sinnbild von feuriger Gottesliebe steht, hinzugefügt. Diese Attribute spiegeln sich ebenfalls im Wappen der Augustinerorden wider.

Augustinus wird in den Westkirchen als Heiliger verehrt. Auch für die evangelischen Kirchen, die das Gedenken an Heilige auf deren Vorbildfunktion beschränken, ist er von sehr großer Bedeutung, da die Rechtfertigungslehre der Reformation von der alleinseligmachenden Kraft der Gnade Gottes aus evangelischer Sicht auf den entsprechenden Lehren des Paulus von Tarsus, aber auch auf deren Weiterführung durch Augustinus aufbaut. Der allgemeine Gedenktag in den evangelischen Kirchen (z. B. EKD, ELCA und LCMS), der römisch-katholischen und den anglikanischen Kirchen ist der 28. August. In den orthodoxen Kirchen, wo er trotz der Ablehnung mancher seiner Lehren wegen seines Lebenswandels als Seliger Augustinus benannt ist, ist sein Gedenktag der 15. Juni. Weitere besondere katholische Gedenktage sind Augustinus' Bekehrung am 5. Mai und die Überführung der Gebeine (des Augustinus) am 11. Oktober (in Brügge). Er gilt als der Vater und Schöpfer der theologischen und philosophischen Wissenschaft des christlichen Abendlandes und wird deshalb als Kirchenvater bezeichnet.

Kritik

Augustinus und seine Lehre war bis zur Reformationszeit in der Kirche weitgehend unumstritten. Erst der aufkommende Individualismus, Subjektivismus und Biblizismus der Reformationszeit und die nachfolgende evangelische Theologie nahm Anstoß an verschiedenen Aussagen (Erbsündenlehre, Fegefeuerlehre u.a.). In der Folge vertraten einige Historiker und Theologen wie Alfred Adam und Wilhelm Windelband die Ansicht, dass Augustinus bei der Entwicklung seiner Lehren stark vom Manichäismus und Neuplatonismus beeinflusst war und viele seiner Ideen biblisch nicht haltbar seien. Sie führen Lehren wie den starken Dualismus an, der auch im Manichäismus vorherrscht, die Fegefeuerlehre, die Höllenlehre, die Erbsündenlehre, die Lehre der doppelten Prädestination und die Körper- und Sexualfeindlichkeit. Insgesamt habe Augustinus nach Ansicht dieser Kritiker die Überzeugungen des Urchristentums fast bis zur Unkenntlichkeit deformiert.

Der Theologe David Edwards bezweifelt, dass Augustinus dem Gottesbild Jesu Christi gerecht werde, da seine (im Alter zunehmend negative) Einschätzung der überwiegenden Zahl der Menschen als „massa damnata“ nicht erkläre, wie dann der Erlöser, der doch einen von Mitleid erfüllten Vater-Gott repräsentiere, „Freund der Sünder“ genannt werden könne.

In einer Polemik[34] deutet der Psychoanalytiker Tilmann Moser die Jugenderinnerungen in den „Bekenntnissen“ als Ausdruck eines neurotischen Schuldgefühls und einer damit zusammenhängenden Verschmelzungssehnsucht mit Gott, die bis heute bei unzähligen Gläubigen belastend fortwirken.

Werke

Autobiographische Schriften

  • Confessiones (dt. Bekenntnisse) – Autobiographische Schrift mit theologischen und philosophischen Betrachtungen
  • Retractationes (dt. Überarbeitungen) – enthält nachträgliche Korrekturen und Anmerkungen zu seinen früheren Schriften

Philosophische Schriften

Theologisch bedeutende Texte

Der Legende nach sollen Augustinus und Ambrosius von Mailand gemeinsam das Te Deum getextet und komponiert haben. Als Augustinus als Erwachsener das Sakrament der Taufe empfing, soll Ambrosius diesen Hymnus angestimmt haben. Augustinus soll versweise darauf geantwortet haben.

Literatur

Primärtexte

Literatur

Philosophiebibliographie: Augustinus – Zusätzliche Literaturhinweise zum Thema

  • Johannes Brachtendorf: Die Struktur des menschlichen Geistes nach Augustin. Seelenreflexion und Erkenntnis Gottes in „De trinitate“. Meiner, Hamburg 2000.
  • Peter Brown: Augustinus von Hippo. Eine Biographie. Erweiterte Neuausg. Dtv, München 2000.
  • Volker Henning Drecoll: Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins. Mohr Siebeck, Tübingen 1999.
  • Volker H. Drecoll (Hg.): Augustin-Handbuch, Tübingen: Mohr Siebeck 2007, ISBN 3-16-148269-7, Inhalt (PDF-Datei; 329 kB)
  • Karl Eschweiler, Die ästhetischen Elemente in der Religionsphilosophie des hl. Augustin, Euskirchen 1909. Digitale Edition, hg. und mit einem Nachwort versehen von Thomas Marschler (2011): Online-Ressource
  • Norbert Fischer / Cornelius Mayer (Hrsg.): Die Confessiones des Augustinus von Hippo: Einführung und Interpretationen zu den dreizehn Büchern. Forschungen zur europäischen Geistesgeschichte, Band 1. Sonderausgabe. Herder, Freiburg i. Br. 2004, ISBN 3-451-28356-5.
  • Kurt Flasch: Augustin. Einführung in sein Denken. 3. bibliographisch ergänzte Auflage. Reclam, Stuttgart 2003.
  • Kurt Flasch / D. de Courcelle (Hrsg.): Augustinus in der Neuzeit. Brepols, Turnhout 1998.
  • Kurt Flasch: Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones, Klostermann, Frankfurt am Main 2004 (2), ISBN 978-3-465-03374-5
  • Therese Fuhrer: Augustinus. Darmstadt 2004. ISBN 3-534-15768-0
  • Wilhelm Geerlings: Augustinus. Leben und Werk. Eine bibliographische Einführung. Panorama, Paderborn 2002.
  • Christoph Horn: Augustinus. Beck, München 1995.
  • Gisbert Kranz: Augustinus. Sein Leben und Wirken. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1994, ISBN 3-7867-1795-8.
  • Henri Marrou: Augustinus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Aus dem Französischen übersetzt von Christine Muthesius. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1958.
  • Cornelius Mayer u.a. (Hrsg.): Augustinus-Lexikon. Bd. 1ff., Schwabe, Basel 1994ff.
  • Uwe Neumann: Augustinus. 2. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004.
  • James J. O'Donnell: Augustine. A New Biography. New York 2005, ISBN 0-06-053537-7
  • Eleonore Stump / Norman Kretzmann (Hrsg.): The Cambridge Companion to Augustine. Cambridge University Press, Cambridge 2001.
  • Peter Seele: Philosophie der Epochenschwelle – Augustin zwischen Antike und Mittelalter. Walter DeGruyter, Berlin, New York 2008.
  • Roland Kany: Augustins Trinitätsdenken. Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu „de trinitate“. Studien und Texte zu Antike und Christentum, Bd. 22, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-148326-4.
  • Agostino Trapè: Aurelius Augustinus. Ein Lebensbild, Neue Stadt, München 2006, ISBN 978-3-87996-677-6
  • Timo J. Weissenberg: Die Friedenslehre des Augustinus. Theologische Grundlagen und ethische Entfaltung. (Theologie und Frieden. Band 28) Kohlhammer, Stuttgart 2005.

Weblinks

 Commons: Augustinus – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: Augustinus von Hippo – Quellen und Volltexte
Werke
Bibliographien
Sekundärliteratur
Päpstliche Äußerungen über Augustinus

Anmerkungen

  1. Augustinus verfasste in einem Zeitraum von ungefähr 45 Jahren über 100 Werke, 218 Briefe und 500 Predigten. Datenbank des Zentrums für Augustinusforschung in Würzburg.
  2. Kath.net: Joseph Ratzinger ist ein Augustinianer 6. Februar 2007
  3. Vgl. dazu Pedro Barceló, Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, Stuttgart 2004. Zu den theologischen Auseinandersetzungen ab Konstantin siehe auch Luce Pietri u.a. (Hrsg.), Die Geschichte des Christentums, Bd. 2, Sonderausgabe, Freiburg im Breisgau 2005, S. 193ff.
  4. Vgl. Pietri u.a., Geschichte des Christentums, Bd. 2, S. 447ff.
  5. Eine nützliche Einführung stellt Walter Pohl, Die Völkerwanderung, 2. Aufl., Stuttgart 2005, dar. Vgl. auch die diversen Überblickswerke in der Bibliographie Spätantike.
  6. Schreibweisen: Monika, Monnica u. ä.
  7. Drecoll, Volker Henning (Hrsg.): Augustin Handbuch. Tübingen 2007, S. 50.
  8. Artikel Augustin/Augustinismus, in: Theologische Realenzyklopädie 4, S. 645ff., hier S. 646; Horn, Augustinus, S. 13.
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 wdr vom 13. November 2004: Vor 1.650 Jahren: Aurelius Augustinus in Thagaste geboren – Kirchenvater aus Afrika
  10. Vgl. Kurt Flasch: Augustin. Einführung in sein Denken. Ditzingen 2003. S.18.
  11. nach griechischer Lehre geht der Geist aus dem Vater durch den Sohn hervor, nach den Kirchen der occidentalen Tradition aus dem Vater und dem Sohn
  12. De civitate Dei 20,7
  13. De civitate Dei 20,9
  14. Enchiridion ad Laurentium 9, 29
  15. Die Daten hier nach dem chronologischen Werkverzeichnis des Zentrums für Augustinusforschung Würzburg
  16. Adversus Iudaeos 7,10 und 8,11. Diese und die folgenden Stellen sind aufgeführt und nachgewiesen in Bernhard Blumenkranz: Die Judenpredigt Augustins, Basel 1946, im Kapitel „Bescheltungen der Juden bei Augustin“, S. 186-189. Blumenkranz bietet auf S. 89-110 eine deutsche Übersetzung von Adversus Iudaeos. Im Internet sind der lateinische Text und eine französische Übersetzung verfügbar.
  17. Sermo 80,5.
  18. In deutscher Übersetzung hier
  19. In Iohannis evangelium tractatus CXXIV, 45,10.
  20. A. a. O. 38,5.
  21. A. a. O. 92,2.
  22. A. a. O. 119,4. Vgl. Adv. Iud. 5,6.
  23. Beides In Ioh. ev. tr. 30,2. Zu den Juden als „Schmutz“ vgl. De civitate Dei 17,4,6.
  24. A. a. O. 31,9.
  25. Sermo 218B, hier in einer kommentierten lateinisch-deutschen Wiedergabe.
  26. Enarrationes in psalmos, 103,IV,3. Vgl. a. a. O. 56,9.
  27. De civitate Dei 18, 46; Augustinus entwickelte den Gedanken zuerst in Contra Faustum 13, 11.
  28. So im Kommentar zu Ps 40 LUT.
  29. Fr. 311 Laf., Übers. U. Kunzmann
  30. Joseph Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche; Univ. Diss. München 1951; München: Zink, 1954 (= St. Ottilien: EOS, 1992); ISBN 3-88096-207-3
  31. Vgl. Richard Klein: Symmachus. Darmstadt 1971. Zur Christianisierung der Oberschicht vgl. Michele R. Salzman: The Making of a Christian Aristocracy: social and religious change in the western Roman Empire. Cambridge/MA 2002.
  32. c. ep. Man.5
  33. Augustinus: Afrikanitaet Universalitaet, Stiftsbibliothek St. Gallen, 20. April – 20. Mai. Spolia, Journal of mediaval studies
  34. Tilmann Moser: Ein schwieriger Patient. An meinen Feind Augustinus; in: ders.: Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott. Psychoanalytische Überlegungen zur Religion; Stuttgart: Kreuz, 2003; S. 152-176
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