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Antiamerikanismus

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Datei:Anti-American mural and St. Sarkis Cathedral, Tehran.JPG
Antiamerikanische Propaganda mit der Parole „Nieder mit den USA“ in einer Straße in Teheran.
Der Slogan Go home, Ami in Berlin (auf Ost-Berliner Seite) an der Sektorengrenze Bernauer Straße (französischer Sektor)/ Ecke Schwedter Straße (Ostsektor) im Jahr 1950.
Antiamerikanische Demonstration in Brasilien
Datei:UK Anti Bush visit protest.jpg
Demonstration gegen den US-Präsidenten George W. Bush in London.

Wahrigs Deutsches Wörterbuch definiert Antiamerikanismus als eine „ablehnende Haltung gegenüber der Politik und Kultur der USA“.[1] Das Oxford Dictionary definiert ihn als „Anfeindung der Interessen der Vereinigten Staaten“.[2] Das Random House Unabridged Dictionary definiert antiamerikanisch als „den Vereinigten Staaten von Amerika, ihrer Bevölkerung, ihren Prinzipien oder ihrer Politik entgegengestellt oder feindlich gesinnt“.[3]

Geschichte

Die Vereinigten Staaten von Amerika konstituierten sich 1776 als neues politisches System in Abgrenzung zu den etablierten Systemen in Europa, woher die Begründer der neuen Nation stammten. In Europa löste das neue, an den Prinzipien der Aufklärung orientierte Staatsmodell bald sowohl Sympathie als auch Ablehnung aus – die als die ersten Ausdrücke von Philoamerikanismus und Antiamerikanismus gesehen werden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm in Europa die Auseinandersetzung mit positiv oder negativ gewerteten Einflüssen der US-amerikanischen Wirtschafts-, Kultur- und Militärmacht zu, bevor sich die Debatte mit Beginn des Kalten Kriegs stark politisierte.[4] Der Begriff des Antiamerikanismus ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgekommen – eine Untersuchung über den Antiamerikanismus in Frankreich nennt 1948 als erste dokumentierte Verwendung.[5] Als Gegenbegriff zum Antiamerikanismus wird uneinheitlich „Philoamerikanismus“,[4] „Proamerikanismus“[6] und „Amerikanismus“[7] verwendet.

Vertreter

Die als Antiamerikanismus bezeichnete Ablehnung der USA geschah und geschieht aus unterschiedlichen Anlässen und mit unterschiedlichen weltanschaulichen Hintergründen, weswegen nicht von einem einheitlichen antiamerikanischen Weltbild gesprochen werden kann, das von Gegnern der Vereinigten Staaten vertreten würde.[8] Besonders ausgeprägte antiamerikanische Bezüge werden im 21. Jahrhundert als auffällige Gemeinsamkeit des rechten und des linken Randes des politischen Spektrums wahrgenommen.[9][10][11]

Neben oppositionellen Gruppen haben in Geschichte und Gegenwart auch Regierungen deutliche antiamerikanische Positionen vertreten. Beispielsweise prägte der iranische Revolutionsführer Ruhollah Chomeini ab 1979 die Bezeichnung „Großer Satan“ für die USA,[12] gegen die er bei Massenveranstaltungen die Parole „Tod den USA“ skandieren ließ[13] und deren Politik er bereits seit rund zwei Jahrzehnten für „alle Probleme aller muslimischer Völker verantwortlich“ gemacht hatte.[14] Der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro begann dagegen erst mehrere Monate nach seiner Regierungsübernahme 1959, sich offen gegen die USA zu positionieren, Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie abzulehnen und sich im Kontext des Kalten Kriegs gleichzeitig dem ideologischen Gegenmodell des Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung hinzuwenden. Der Antagonismus zu den USA wurde über die folgenden Jahrzehnte zum zentralen Thema in Castros Politik und Rhetorik.[15] Auch für den nordkoreanischen Staatschef Kim Il-sung und seine Nachfolger war und ist die Feindschaft zu den USA ein regelmäßig genutztes Identifikationsinstrument.[16]

Bewertungen

Der britische Publizist Christopher Hitchens bezeichnete Folgendes als eine „lockere Arbeitsdefinition“ des Antiamerikanismus:

„Jemand ist anti-amerikanisch, wenn er oder sie andauernd Verachtung für die amerikanische Kultur zeigt und darüber hinaus jeden Gegner der US-Politik unterstützt, wer immer es auch sein mag.[17]

Verschiedene Stimmen vertreten die Ansicht, der Antiamerikanismus müsse als Auswuchs des Neids gegenüber der Rolle der Vereinigten Staaten als vorherrschende Weltmacht gesehen werden. Timothy Garton Ash beschreibt das Leitmotiv des Antiamerikanismus als „mit Neid durchsetzter Groll“;[18] der Historiker Dan Diner spricht vom „projektiven Vorwurf an die USA, für alle Übel der Welt ursächlich zu sein“ und einer „Überdosis an jener im Antiamerikanismus sich verschränkenden und nur schwer zu goutierenden Mischung von Neid und Angst“. Auch in Ländern mit ausgeprägtem Antiamerikanismus besteht große Nachfrage nach Einwanderungsvisa für die Vereinigten Staaten; eine gegengesetzte Strömung der Emigration aus den Vereinigten Staaten ist jedoch nicht erkennbar.[19]

Der Journalist und Kommunikationswissenschaftler Tobias Jaecker sieht im Antiamerikanismus ein „ideologisches Welterklärungsmuster“[20], das er folgendermaßen definiert:

„Die narrative Form des antiamerikanischen Welterklärungsmusters wird durch vier grundlegende Strukturprinzipien bestimmt – Dualismus, Projektion, Selbstaufwertung und Verschwörungsdenken. Erst innerhalb dieser spezifischen Struktur erhalten die einzelnen Stereotype einen antiamerikanischen ›Sinn‹. Dabei korrespondiert die projektive Zuschreibung negativer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Vorgänge zu Amerika mit einer kollektiven moralischen Selbstaufwertung, so dass ein dualistisches Bild entsteht: ›Amerika‹ gegen ›uns‹. Im Extremfall kann sich dies zur Verschwörungstheorie ausweiten – in einer derartigen wahnhaften Vorstellung regiert Amerika dann die ganze Welt. Es ist dieses Zusammenspiel von Dualismus, Projektion, Selbstaufwertung und – zugespitzt – Verschwörungsdenken, das die Kritik zum Antiamerikanismus gerinnen lässt.[21]

Zur „grundsätzlichen und notwendigen“ Unterscheidung von Amerikakritik von Antiamerikanismus schrieb der Politikwissenschaftler Claus Leggewie 2004 unter Verweis auf den Kontext der verstärkt „neokonservativen und restaurativen“ Orientierung des Auftretens der Vereinigten Staaten unter Präsident George W. Bush seit dem 11. September 2001:

„Die spürbar wachsende Distanz der politischen Öffentlichkeit Westeuropas, genau wie der arabischen Welt, ist nicht per se Ausdruck eines kulturellen Antiamerikanismus, sondern Resultat einer politischen Amerikakritik. Doch in Reaktion auf den imperialen, religiös fundierten American exceptionalism konnte auch ein solches kulturelles Ressentiment wieder Platz greifen. (...) Die konkrete Auseinandersetzung mit bestimmten Repräsentanten und Führungspersonen der Vereinigten Staaten und dem, was sie im einzelnen tun, ist etwas anderes als die diffuse, pauschale Ablehnung „der“ Amerikaner, wie sie angeblich sind.[22]

Dem Soziologen Andrei S. Markovits zufolge besteht eine enge Verbindung zwischen europäischem Antiamerikanismus und dem Antisemitismus: Beide verhielten sich, bildlich gesprochen, zueinander wie „Zwillingsbrüder“[23], denn „Amerika und die Juden waren der europäischen Rechten und den Konservativen immer als Repräsentanten einer unaufhaltsamen Moderne suspekt und verhasst.“[24] Aber auch bei weiten Teilen der politischen Linken gehe der „neue, auf Israelfeindschaft gründende Antisemitismus Hand in Hand mit ihrem Antiamerikanismus“ [25]

Kritik

Manche Wissenschaftler kritisieren eine unscharfe Definition und mehrdeutige Verwendung des Begriffs, wodurch ihnen zufolge gerechtfertigte Kritik nicht immer eindeutig von systematischen Ressentiments gegenüber US-Amerikanern unterschieden werde.[26] Der Begriff werde dabei auch als Instrument eingesetzt, um Debatten zu ersticken.[27] Da Antiamerikanismus allein negativ definiert und weder mit einer organisierten Bewegung noch einer alternativen Vision verbunden sei, sei der Begriff nicht hilfreich.[4]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Anti-Americanism – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Antiamerikanismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Stichwort Antiamerikanismus, in: Gerhard Wahrig: Deutsches Wörterbuch. Jubiläumsausgabe. Gütersloh : Bertelsmann, 1991. ISBN 3-570-03648-0
  2. Online Ausgabe des Oxford Dictionary, abgerufen 13. Juni 2015. Im Original: „Hostility to the interests of the United States“.
  3. Anti-Americanism im Random House Unabridged Dictionary, abgerufen am 16. Oktober 2007. Im Original: „opposed or hostile to the United States of America, its people, its principles, or its policies.“
  4. 4,0 4,1 4,2 Jessica Gienow-Hecht: Europäischer Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 5–6/2008, abgerufen am 10. Juni 2015
  5. Roger, Phillipe. The American Enemy: The History of French Anti-Americanism, einführender Auszug (englisch), University of Chicago Press, 2005.
  6. Gesine Schwan: Antiamerikanismus und demokratisches Bewusstsein in der Bundesrepublik von 1945 bis heute. In: Amerika und Deutschland: ambivalente Begegnungen. Herausgegeben von Frank Kelleter und Wolfgang Knöbl, Wallstein Verlag, 2006, S.73 ff.
  7. Egbert Klautke: Unbegrenzte Möglichkeiten: „Amerikanisierung“ in Deutschland und Frankreich (1900–1933). Wiesbaden, Franz Steiner Verlag 2003, S. 269 ff.
  8. Katzenstein, Peter; Keohane, Robert. Conclusion: Anti-Americanisms and the Polyvalence of America (PDF; 96 kB), in: Anti-Americanisms in World Politics,, Ithaca: Cornell University Press, 2006 (englisch).
  9. USA selber schuld? Antiamerikanismus bei Links- und Rechtsextremen. Beitrag im RBB-Politmagazin Kontraste vom 4. Oktober 2001, abgerufen am 10. Juni 2016
  10. Germany and America: Ami Go Home. In: The Economist vom 7. Februar 2015, abgerufen am 10. Juni 2016 (englisch)
  11. Christoph Schwennicke: Links und Rechts teilen das Feindbild. In: Cicero vom 4. Februar 2015, abgerufen am 10. Juni 2015
  12. Mangol Bayat-Philipp: Die Beziehungen zwischen den USA und Iran seit 1953. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 9/2004, abgerufen am 11. Juni 2015
  13. Iran attempts to silence its 'Death to America' chants. In: The Telegraph vom 19. Oktober 2013, abgerufen am 11. Juni 2015 (englisch)
  14. Ulrich Tilgner: Umbruch im Iran: Augenzeugenberichte. Analysen. Dokumente. Rowohlt, Reinbek 1983, S. 100
  15. Fidel Castro verliert die Macht: Die letzte Zigarre. In: Handelsblatt vom 1. August 2006, abgerufen am 11. Juni 2015
  16. Nordkoreas Medien: Hass auf USA ist erste Bürgerpflicht. In: Spiegel Online vom 16. Februar 2003, abgerufen am 11. Juni 2015
  17. ‚My own working definition of it, admittedly a slack one also, is that a person is anti-American if he or she is consistently contemptuous of American culture and furthermore supports any opponent of U.S. policy, whoever this may be.‘ Christopher Hitchens: I'll be damned The Atlantic Magazine, März 2005
  18. Die Zeit, 06/2003
  19. FOCUS Nr. 43, 10/2001
  20. Interview mit Tobias Jaecker: „Amerikaner sind gefährlich und profitgierig“, in: Cicero, 27. Februar 2014
  21. Tobias Jaecker: Hass, Neid, Wahn. Antiamerikanismus in den deutschen Medien, Frankfurt/M. 2014, S. 372.
  22. Claus Leggewie: Renaissance des Antiamerikanismus? Zur Unterscheidung von Amerikakritik von Antiamerikanismus am Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Amerika und Europa, Mars und Venus? Das Bild Amerikas in Europa. Herausgegeben von Rudolf von Thadden und Alexandre Escudier, Wallstein Verlag, 2004, S. 105–115, hier S. 107
  23. Andrei S. Markovits: Amerika, dich haßt sich's besser, Hamburg 2004, S. 173.
  24. Andrei S. Markovits: Amerika, dich haßt sich's besser, Hamburg 2004, S. 188.
  25. Andrei S. Markovits: Amerika, dich haßt sich's besser, Hamburg 2004, S. 189.
  26. Pierre Guerlain: A Tale of Two Anti-Americanisms. In: European Journal of American Studies 2/2007 vom Herbst 2007, abgerufen am 12. Juni 2015 (englisch); Marie-France Toinet: Does Anti-Americanism Exist? In: The Rise and Fall of Anti-Americanism: A Century of French Perception. Herausgegeben von Denis Lacorne u. a., London I990, S. 221 -222 (englisch); Philipp Gassert: Rezension von: West Germans Against The West. In: Sehepunkte Ausgabe 12 (2012), abgerufen am 12. Juni 2015.
  27. Brendan O'Connor: A Brief History of Anti-Americanism from Cultural Criticism to Terrorism. In: Australasian Journal of American Studies vom Juli 2004, S. 77f. (PDF)
  28. Inhaltsverzeichnis zu Europäische Identität durch Antiamerikanismus. Projekt Europa – Feindbild Amerika.
  29. Zur ideengeschichtlichen Herleitung und theoretischen Bestimmung beider Auffassungen. Ihre Typologie vor einem demokratietheoretischen Hintergrund; die Gründe für soziale Gruppen als Träger von Antikommunismus und Antiamerikanismus. Darstellung des politischen Bewusstseins nach 1945. Empirische Erhebungen
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