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Ambivalenz

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Unter Ambivalenz (lat. ambo „beide“ und valere „gelten“) wird in der Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychoanalyse das Nebeneinander von gegensätzlichen Gefühlen, Gedanken und Aussagen verstanden. In der gehobenen Umgangssprache gebräuchlicher ist das Adjektiv ambivalent (zwiespältig, doppelwertig, mehrdeutig, vielfältig). Der Begriff wurde von Eugen Bleuler (1857–1939) geprägt.[1]

Bedeutung

Es handelt sich hier um ein „Sowohl/als auch“ von Einstellungen und Bereitstellungen. Der Begriff „Hassliebe“ ist ein Beispiel für eine solche untrennbare Verknüpfung gegensätzlicher Wertungen. Auch wenn es sich bei dem Begriff der „Hassliebe“ rein rhetorisch um ein Oxymoron handelt, so sind in der Physiologie antagonistische Funktionen durchaus geläufig. Bei der Ambivalenz handelt es sich um entsprechende psychologische Funktionen.

Dass jedes Ding seine zwei Seiten haben kann, ist mit Ambivalenz nicht gemeint, so lange dadurch kein innerer Konflikt hervorgerufen wird. Vielmehr ist darunter eine Dichotomie von Sichtweisen zu sehen, die gegensätzliche Reaktionen bedingen und letztlich die Fähigkeit zu einer Entscheidung im weitesten Sinne hemmen. So sieht Karl Abraham den reifen Menschen im Gegensatz zum Kind, das durch Triebschwankungen charakterisiert ist, als frei von Ambivalenz. Andere Psychoanalytiker sehen in den meisten menschlichen Regungen eine Ambivalenz von Libido und Thanatos bzw. Liebe und Destruktionstrieb. Für Bleuler war die Ambivalenz das Hauptsymptom der Schizophrenie.

Einteilung und Messung

Ambivalenz kann laut Bleuler eingeteilt werden in ein Nebeneinander von widersprüchlichen

  1. Gefühlen – „affektive Ambivalenz“
  2. Wünschen – „voluntäre Ambivalenz“ oder Ambitendenz
  3. Beurteilungen – „intellektuelle Ambivalenz“

Die Begriffe „Ambitendenz“ und „Ambiguität“ werden manchmal gleichbedeutend mit Ambivalenz verwendet.[2]

In der Folge wurde der Begriff durch Freud in die Psychoanalyse übernommen und dort auf mannigfache Weise weiter entwickelt und in der Folge in die Psychologie und die Sozialpsychologie übernommen sowie in der Psychotherapie genutzt.

In der Motivationspsychologie verwendet Thomae (1960)[3] den Begriff der Ambivalenz, um auf Aversions-Appetenzkonflikte hinzuweisen.

In der Sozialpsychologie lässt sich die Ambivalenz einer Einstellung auf der Grundlage des semantischen Differentials messen.[4][5] Zu diesem Zweck werden der negative Pol (beispielsweise „dumm“) und der positive Pol („intelligent“) getrennt eingeschätzt. Ambivalenz wird dann erschlossen, wenn ein Einstellungsobjekt gleichzeitig in Richtung auf den negativen und den positiven Pol beurteilt wird. Eine andere Möglichkeit der Messung der Ambivalenz besteht darin, sie direkt über einen Fragebogen einzuschätzen.

Erläuterung: Der Fragebogen zur Erfassung von ambivalentem Sexismus gegenüber Frauen (ASI;[6][7] Theorie der ambivalenten Stereotype) enthält Feststellungen, die feindselige („Die meisten Frauen bewerten harmlose Anmerkungen gleich als sexistisch“) und wohlwollende („In einem Katastrophenfall müssen Frauen zuerst gerettet werden“) Einstellungen ansprechen.

In den 1960er Jahren fand der Begriff der Ambivalenz Eingang in die Soziologie, zunächst im Kontext der Analyse von (Berufs-) Rollen, später in jener der Generationenbeziehungen und der Zeitdiagnose. Ungefähr zur gleichen Zeit setzte die Rezeption in den Literaturwissenschaften ein, ebenso in den Kunst- und Musikwissenschaften. Parallel mit der Rezeption in den Wissenschaften fand der Begriff auch Eingang in die Umgangssprache. [8]

Verschiedene Diskussionsforen in wissenschaftlichen Zeitschriften dokumentieren die Weiterentwicklung des Begriffes. [9][10][11]

Die Begriffsgeschichte und die Diskursanalysen des Konzepts der Ambivalenz in unterschiedlichen human-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Diskursen und Disziplinen legen den Schluss nahe, dass damit anthropologisch bedeutsame Sachverhalte angesprochen werden. Sie können sich in übergreifenden Vorstellungen wie Menschen- und Gesellschaftsbildern und in der konkreten Gestaltung menschlichen Handelns finden. [12]

Verwandte Themen

Einzelnachweise

  1. Ambivalenz, Erfindung und Darstellung des Begriffs durch Eugen Bleuler, Bericht 1911 vom Vortrag 1910 und Veröffentlichung 1914
  2. E. Jaeggi: Ambivalenz. In A. Schorr (Hrsg.): Handwörterbuch der Angewandten Psychologie. Deutscher Psychologen Verlag, Bonn 1993, S. 12-14.
  3. H. Thomae: Der Mensch in der Entscheidung. Huber, Bern 1960.
  4. H. W. Bierhoff: Neuere Erhebungsmethoden. In: E. Erdfelder, R. Mausfeld, T. Meiser, G. Rudinger (Hrsg): Handbuch quantitative Methoden. Psychologie Verlags Union, Weinheim 1996, S. 59-70.
  5. K. Jonas, P. Broemer, M. Diehl: Attitudinal ambivalence. In: W. Stroebe, M. Hewstone (Hrsg): European review of social psychology. Bd. 11, Wiley, Chichester 2000, S. 35-74
  6. P. Glick, S. T. Fiske: The ambivalent sexism inventory. Differentiating hostile and benevolent sexism. In: Journal of Personality and Social Psychology, 70, 1996, S. 491-512.
  7. P. Glick, S. T. Fiske: An ambivalent alliance. Hostile and benevolent sexism as complementary justifications for gender inequality. In: American Psychologist, 56, 2001, S. 109-118.
  8. K. Lüscher: Ambivalenz: Eine soziologische Annäherung. In: W. Dietrich, K. Lüscher, C. Müller (Hrsg.): Ambivalenzen erkennen, aushalten und gestalten. Eine neue interdisziplinäre Perspektive für theologisches und kirchliches Arbeiten. Theologischer Verlag Zürich (TVZ), Zürich, 2009, S. 17-67.
  9. K. Lüscher: Intergenerational ambivalence. Further steps in theory and research. In: Journal of Marriage and Family (JMF), 64, 2002, S. 585-593.
  10. K. Lüscher: Ambivalenz weiterschreiben. In: Forum der Psychoanalyse. Zeitschrift für klinische Theorie und Praxis 27(4), 2011, S. 373-393.
  11. Ambivalenz weiterdenken. Familiendynamik, 39(2), 2014.
  12. K. Lüscher: Menschen als "homines ambivalentes". In: D. Korczak (Hrsg.): Ambivalenzerfahrungen. Asanger, Kröning, 2012, S. 11-32.

Weblinks

Wiktionary: Ambivalenz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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